Bei der Berichterstattung zum Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) werden immer wieder Schiedsgerichte erwähnt. Gegner des TTIP sagen oft, dass die Möglichkeit Schiedsgerichte anzurufen die rechtsstaatliche Ordnung aushebelt. Doch weshalb gibt es dann überhaupt Schiedsgerichte und wie arbeiten diese?
Bevor ich das beleuchte, gibt es erst ein mal Musik für mehr Mut:
Neonschwarz - Hinter Palmen
Ein Schiedsgericht bietet die Möglichkeit, Streitigkeiten ohne direkten Einfluss des Staates beizulegen. Die streitenden Parteien können die Schiedsrichter selbst benennen und so dafür sorgen, dass diese die nötige Fachkompetenz mitbringen und dass das Gericht ausgeglichen besetzt ist. Dies ist sinnvoll, wenn es keine geeigneten Gesetze oder keine komplett unabhängigen Gerichte gibt. So gibt es in jeder deutschen politischen Partei verpflichtend Schiedsgerichte, denn Richter an staatlichen Gerichten werden von politischen Gremien gewählt, wären daher nicht komplett unabhängig. Viele Institutionen wie z.B. Gewerkschaften regeln ihre internen Streitigkeiten über Schiedsgerichte. Generell kann man in Deutschland ein Schiedsgericht einsetzen, das rechtsverbindliche Urteile fällt. Dazu gibt es in eine definierte Rechtslage (Buch 10 der Zivilprozessordnung).
Schwieriger wird es bei internationalen Rechtsstreitigkeiten. Da staatliche Gerichte nicht international agieren können, hat man bereits 1899 den Ständigen Schiedshof in Den Haag gegründet, der auch private Schiedsverfahren ermöglicht. Mittlerweile haben sich 117 Staaten diesem Schiedsgerichtshof angeschlossen. Das bedeutet, dass diese Staaten dessen Schiedssprüche respektieren und umsetzen. Internationale Schiedsgerichte sind somit keine Neuheit.
Für international agierende Firmen sind Schiedsgerichte oft die einzige Möglichkeit, unabhängige Urteile zu erhalten. Will man beispielsweise in einem korrupten Land eine Molkerei eröffnen, ist einem bewusst, dass es den staatlichen Stellen ein Leichtes wäre den Betrieb stillzulegen, wenn keine Schmiergelder fließen. In solch einem Land gar nicht erst wirtschaftlich tätig zu werden, hieße aber, dass sich in dem Land auch nichts ändern wird. Denn ohne Industrie gibt es keine Arbeitsplätze und daher auch keine Alternativen für die Bevölkerung. Besteht die Möglichkeit für Schiedsverfahren, gibt das wenigstens eine grundlegende Rechtssicherheit in einem Land aktiv zu werden. Aus diesem Grund sind Schiedsverfahren in den meisten Freihandelsabkommen vorgesehen. Diese Abkommen garantieren, dass man Waren planmäßig ein- und ausführen kann. Wird man dabei behindert, kann man ein Schiedsgericht anrufen.
Es ist nicht einfach internationale Schiedssprüche durchzusetzen, da man auf die nationalen Vollstreckungsbehörden (z.B. Staatsanwaltschaften) angewiesen ist. Ein Beispiel dafür ist das jüngst gefällte Urteil, das den ehemaligen
Anteilseignern des einst von Russland verstaatlichten Ölkonzerns Yukos eine Entschädigung von 37,2 Milliarden € zuspricht. Russland hatte das von Michail Chodorkowski
gegründete Unternehmen verstaatlicht, ohne die Anteilseigner
auszubezahlen. Russland hat zwar am Schiedsverfahren am
Ständigen Schiedshof teilgenommen, akzeptiert das Urteil aber nicht. Der
Schiedshof hat Gerichtsvollzieher, die ein Land jedoch nicht zur
Zahlung zwingen können. Daher wurden Konten der russischen Botschaften
in Frankreich und Belgien beschlagnahmt, was wiederum durch
diplomatischen Druck rückgängig gemacht wurde.
Damit die Durchsetzung von Schiedssprüchen international möglich ist, sind bisher 152 Staaten dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche beigetreten. Darin gibt es Ausnahmen, wann ein Schiedsspruch nicht durchgesetzt werden muss; zum Beispiel wenn der Schiedsspruch nicht mit dem Rechtssystem des Landes (der sogenannten Ordre Public) vereinbar ist, also wenn es z.B. der Verfassung widerspricht.
Schiedsgerichte sind also eine sinnvolle Einrichtung, besonders für länderübergreifende Streitigkeiten. Dennoch ist die Kritik speziell an Investitionsschiedsgerichten berechtigt. Diese dienen dem Schutz von Investitionen vor staatlichen Veränderungen, also wenn z.B. der Staat alle Molkereien schließen würde, die nicht mehrheitlich einem Staatsbürger gehören. Als ausländischer Investor wäre man dann vom Markt gedrängt und müsste seine Molkerei unter Wert an einen Inländer verkaufen. Das Problem ist aber die Frage, wann eine rechtliche Änderung eine Investition "unrechtmäßig" zerstört. Was passiert, wenn ein Staat z.B. Zigaretten nur noch in Apotheken verkaufen lässt und dadurch, wie politisch gewollt, der Absatz von Zigaretten zurückgeht und die Tabakfirmen deswegen Einbußen haben und Fabriken schließen müssen? Die Schiedsrichter könnten zugunsten der Tabakfirmen entscheiden und daher die staatliche Souveränität einschränken. Der Knackpunkt ist, dass genau diese Einschränkung in Staaten ohne unabhängige Gerichte (z.B. in Diktaturen) genau der Sinn von Investitionsschiedsgerichten ist. Ob wir Schiedsgerichte als gerecht empfinden, hängt also offensichtlich davon ab, welcher Staat beklagt wird.
Zusätzlich zur mangelnden Akzeptanz haben Investitionsschiedsgerichte den Nachteil, dass sie nur von ausländischen Investoren angerufen werden können. Der inländische Konkurrent, der vielleicht genauso unter einer willkürlichen staatlichen Entscheidung zu leiden hat, untersteht dem nationalen Gericht. Es stellt sich also die Frage, ob die grundsätzlich sinnvollen Freihandelsabkommen wie TTIP auch ein Investitionsschutzabkommen beinhalten müssen. Denn eigentlich sind nur Schiedsgerichte notwendig, die dafür sorgen, dass jeder Vertragsstaat auch das einhält und umsetzt, was im Freihandelsabkommen festgelegt ist.
Als reines Freihandelsabkommen wäre TTIP sicherlich für die Wirtschaft ein Gewinn. Wer schon einmal etwas direkt aus Nicht-EU-Staaten im Internet bestellt hat, weiß, wie viel Zeit Zoll- und Einfuhrformalitäten beanspruchen und kann sich vorstellen, wie sehr das Firmen belastet, die viel im- und exportieren.
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