Dec 31, 2011

Litoměřice - ein Perle Böhmens

In Erwartung der sich mit Beginn des nächsten Jahres wieder allgemein ausbreitenden Hektik habe ich die Zeit genutzt, möglichst wenig zu tun. Was nicht aber heißt, auf Genuss zu verzichten. Für das leibliche Wohl war wieder bestens gesorgt und damit alle Sinne genießen konnten, ging es für einen Tag nach Litoměřice.
Dazu passt Mickey 3D - Demain finira bien.
Die kleine Stadt in Nordböhmen liegt nur 3 km von Terezín entfernt, das durch seine als KZ genutzte Festung traurige Berühmtheit erlangte. Sie ist von Dresden preiswert (dank des Sachsen-Böhmen Tickets) und bequem per Zug zu erreichen (im Sommer sogar von einem durchgehenden). Malerisch über der Elbe liegt es am Südrand des böhmischen Mittelgebirges in einem milden Klima, in dem Weinbau möglich ist. Da es kein Industriezentrum war, blieb es von Bombardierungen verschont und so ist die Altstadt fast vollständig erhalten und mittlerweile auch vorbildlich restauriert.
Ein kleiner Stadtrundgang (alle Bilder sind mit einer billigen Handy-Kamera ohne optischen Zoom geschossen worden, daher die schlechte Bildqualität):
Los geht es am, für eine kleine Stadt, überdimensionierten Marktplatz.

Marktplatz mit Kelchhaus.

Das Bild zeigt die Südseite des Platzes mit dem Kelchhaus. Der Kelch erinnert an die Zeit der Hussiten, als die Stadt sich den Utraquisten anschloss. Wie man am Scheingiebel des Hauses mit Sgraffito sieht, versuchte man mehr zu repräsentieren als man sich leisten konnte.
Markt, Westseite.

Das Rathaus auf der Ostseite.
Die Kirche am Marktplatz hat auf dem Schiff mehrere Türme, deren Sinn ich nicht in Erfahrung bringen konnte. Ich vermute mal, dass sie Scheintürme sind, denn von ferne wirkt die Stadt durch sie noch dichter bebaut und reicher:
Kirche mit 5 Türmen.

Typische Stadtszene.
Seit der erzwungenen Rekatholisierung ist Litoměřice Sitz eines Bischofs. Das ehemalige Jesuitenkolleg diente als Priesterseminar:
Blick von der Elbe auf das Jesuitenkolleg.
Blick auf den Dom, der auf dem Gelände eines Klosters errichtet wurde:
Der Dom mit separatem Glockenturm. Rechts die noch nicht sanierten Klosteranlagen.

Blick vom Stadttheater auf den Dom.

Blick auf die Stadtmauer mit Jesuitenkolleg und Elbbrücke. Wenn die Bäume Blätter haben muss es auf den Terassen wunderbar sein.

Das älteste Haus der Stadt aus der Zeit der Gotik ist recht schlicht.

 Im Norden der Stadt sind die Häuser aus k.u.k.-Zeiten, wo es hieß: "Klotzen, nicht kleckern!"

Straßenzug in der Nordstadt. Ein Haus schöner als das andere.
Auf die Details kommt es an.
Dadurch ist auch jede noch so banale Einrichtung in einem Prachtbau untergebracht. Zwei Beispiele:
Die Grundschule.
Das Polizeirevier
 Parks gibt es natürlich auch:
Park hinter dem Wein-Speicher.

Heimfahrt: Blick über das Gleisfeld von Ústí-západ. Usti ist leider immer noch eine ziemlich unansehnliche Industriestadt

Fazit: eine Reise die sich gelohnt hat. Schon allein die Zugfahrt dort hin durch die Sächsische Schweiz und das böhmische Mittelgebirge sind beeindruckend. Wer die Möglichkeit hat, in Litoměřice Station zu machen, sollte sie unbedingt nutzen!
Einziges Manko war die Jahreszeit. Wenn es grün ist, wirkt das alles noch besser und die Terassen und Parks laden zum Verweilen ein. Was auffiel ist, dass in Nordböhmen immer noch mit der heimischen Schwefelkohle geheizt wird, die nicht nur die Orte in stinkende Rauchschwaden hüllt, sondern auch sauren Regen verursacht, dessen Auswirkungen man auf dem Erzgebirgskamm leider gut sehen kann.

Dec 14, 2011

Vorbilder - Teil 1

Ehe ich zu alt werde, und Gefahr laufe, ein Vorbild für andere zu werden, wird es Zeit meine Vorbilder vorzustellen.
Das Leben ist bekanntlich eines der buntesten und daher reicht ein Vorbild nicht aus. Ich habe es daher in bester schwarz-grau-weiß Malerei in die 3 Bereiche menschlich, musikalisch und politisch geteilt (wobei die Übergänge natürlich fließend sind).

Teil eins handelt von Rüdiger Nehberg. Vielen nur als Abenteurer bekannt, hat er sich die meiste Zeit seines Lebens auch für Andere eingesetzt. Das Beeindruckende dabei ist, wie effektiv und sachlich er dabei ist. Zudem hat er eine Art, die dazu ansteckt Dinge einfach mal zu machen, egal was es für Bedenken gibt.
Zuerst wurde ich über den Film "Wüste des Todes - Wettlauf durch den australischen Busch" auf ihn aufmerksam, in dem er sich mit zwei Anderen einen Wettlauf durch Australien lieferte. In einer Szene des Films erklärt er den Unterschied zwischen echtem und anerzogenem Ekel und seitdem fällt es mir schwer Essen wegzuwerfen, das noch gut ist.
Danach habe ich ihn ab und an mal bei TVTotal wahrgenommen, bis ich 2006 durch Zufall die Tagesschau sah in der von seiner Islamkonferenz berichtet wurde. Ich war gerührt und beeindruckt, wie es ein Europäer schaffen kann, dass sich die höchsten Vertreter des sunnitischen Islam treffen und ein ansonsten tabuisiertes Thema behandeln.
Konkret ging es um die Beschneidung von Frauen, die in Nordafrika seit Jahrtausenden durchgeführt wird (pharaonische Beschneidung). Nun versuchen viele Organisationen seit Jahrzehnten die Leute vom Unsinn dieser Tradition zu überzeugen -- ohne Erfolg. Zudem geht es vielen Organisationen nicht um den Zweck sondern um Selbstdarstellung aber dazu ein anderes Mal.
Nehberg und seine Mitstreiter haben diese Problematik erkannt und den Verein TARGET gegründet, der keine Mitglieder aufnimmt, denn viele Köche verderben den Brei. Der Ansatz ist es, nicht wie bei "Entwicklungshilfe" die Leute zu belehren was unserer Moral entspricht, sondern ihnen zu helfen auf Beschneidungen verzichten zu können. Daher geht es neben Aufklärung um ökonomische und medizinische Unterstützung vor Ort.
Die moralische Instanz vor Ort ist der Imam und die Beschneidung von Frauen hat nichts mit Religion zu tun. Wenn der Imam predigt, dass Beschneidung unislamisch ist, hat man Rückhalt in der Bevölkerung. Zudem ist es dann nicht ein Ausländer der sagt was er für richtig hält, sondern einer von Ihnen. Es ist daher eine unglaublich große Leistung diese Islamkonferenz einberufen zu haben, auf der dann auch festgestellt wurde, dass Beschneidung unislamisch und sogar strafbar ist.
Nun gilt es diese Feststellung auch in jedem Winkel der Erde kund zu tun. Von dieser "Karawane der Hoffnung" handelt das gleichnamige Buch. Darin wird auch beschrieben, wie man den Beschneiderinnen hilft, anderweitig Geld zu verdienen, wie man es geschafft hat, dass auch die christlichen Kopten weitgehend nicht mehr beschneiden, wie die Männer und Frauen vor Ort mit den Beschneidungen umgehen und wie es zur Islamkonferenz gekommen ist. Dieses Buch hat mich schwer beeindruckt und ich habe gelernt dass man unsere Maßstäbe nicht für andere Kulturen verwenden darf.

Nehberg ist für mich ein Vorbild wie man gute Ideen einfach mal in die Tat umsetzt. Da hatte sich ein einfacher Mann aus Deutschland ohne politisches Amt vorgenommen, ein heikles Thema fern seiner Heimat anzupacken und die Führer einer anderen Weltreligion an einen Tisch zu bekommen. Er wird wahrscheinlich Unmengen Bedenken gehört haben und es hat bestimmt Einige gegeben, die ihn für weltfremd und verrückt gehalten haben. Selbst die erfolgreiche Islamkonferenz wurde kritisiert. Aber er hat es einfach durchgezogen und damit vielen Menschen viel Leid und Schmerz erspart. Denn den Betroffenen ist es egal, ob der Geistliche, der es schafft, dass die Tortur den Mädchen nicht mehr zugefügt wird, bei anderen Themen andere Ansichten hat.
Dieses "einfach mal machen" zeichnete und zeichnet auch all seine anderen, zahlreichen Projekte aus. Zudem finde ich es vorbildlich, dass er sich nie nur einer Sache verschrieben hat.