Der Wahlkampf zur Europawahl am 25. Mai geht langsam in die heiße Phase und in den Medien tauchen wieder die bekannten Klischees über die EU und ihre Vorschriften auf. Sicher, der Verwaltungsapparat der EU ist überdimensioniert und die Gehälter der EU-Bediensteten sind nicht die niedrigsten. Eine Verwaltungsreform der EU ist notwendig und alle Parteien habe dies in ihrem Wahlprogramm. Je größer eine Institution, desto schwieriger ist das jedoch, zumal gleich 28 Staaten beteiligt sind.
Ein auf den ersten Blick besonderes Ärgernis mit der EU sind dessen Vorschriften. Schaut man genauer hin, stellt man fest, dass die allermeisten sinnvoll sind und dass wir Verbraucher der Grund für ungewöhnliche Vorschriften sind. Da die Vorschriften europaweit gelten, haben sie entscheidenden Einfluss auf die Industrie und damit auch auf das Leben jedes Einzelnen. Wer hat sich z. B. nicht schon einmal darüber geärgert, dass es kein einheitliches Handy-Ladekabel gibt? Die EU hat zuerst auf die Freiwilligkeit der Hersteller gesetzt, die sich aber nicht dauerhaft auf einen Standard festlegen wollten. Aus Sicht der Hersteller ist das verständlich, können sie so doch die Konsumenten besser an ihre Plattform binden und mit Adaptern Geld verdienen. Der Konsens in der Bevölkerung ist der Umweltschutz und die Vermeidung von unnötigem Elektronikschrott ist dabei ein Thema. Vor allem deswegen hat das EU-Parlament beschlossen, dass es ab 2017 ein einheitliches Ladekabel geben wird.
Gern nimmt man die EU-Verordnungen zur Kenntnis, dass schon seit Jahren zum 1. Juli die Roaming- und Datentarife für Mobilfunk sinken. Dagegen wird aktuell gegen die Staubsaugerverordnung protestiert, nach der die Leistung der Staubsauger künftig nur noch 900 Watt betragen darf. Außerdem müssen die Geräte leiser werden und weniger Staub wieder freisetzen. Aber warum muss man überhaupt so etwas per Verordnung regeln? Einen leisen und stromsparenden Staubsauger hätte sicher jeder gerne. Der Grund sind wir Verbraucher, dann gehen wir in den Laden und sehen zwei Staubsauger, kaufen wir in den meisten Fällen den günstigeren. Würde man den Energiesparenderen kaufen, würden sich der etwas höhere Kaufpreis schnell amortisieren. Doch wenn man im Laden steht, macht man sich meist nicht die Gedanken, was das für die Stromrechnung bedeutet. Und genau das ist das Problem. Der Hersteller des teureren Geräts hat Geld in die Entwicklung einer neuen Technologie gesteckt, die bei geringerem Stromverbrauch genauso gut saugt, aber der Kunde kauft die alten Stromfresser. Die umweltfreundliche Technologie hat somit kaum eine Chance und die Hersteller sehen, dass die neue Entwicklung nichts einbringt. Nun ist es nicht die Aufgabe der EU einen zu einer geringeren Stromrechnung zu zwingen, sondern den CO2-Ausstoß zu verringern. Dies geht nur durch Verringerung des Energieverbrauchs. Laut Stiftung Warentest ist der aktuell stromsparendste Sauger, auch der Testsieger, also wird die EU-Verordnung dazu führen, dass wir in Zukunft tatsächlich bessere Geräte verwenden. Da die Verordnung für den gesamten, großen EU-Markt gelten, werden durch die hohen Stückzahlen auch die Kaufpreise mit der Zeit sinken. Bei der Verordnung, mit der die ineffizienten Glühbirnen vom Markt gedrängt wurden, lief das ähnlich ab. Energiesparende Lampen wurden billiger und mit der LED hat sich eine Technologie durchgesetzt, die nicht nur am effizientesten ist, sondern auch wenig Material benötigt und gut recycelt werden kann.
Jede Verordnung hat ein bestimmtes Ziel, das nicht immer sofort ersichtlich ist. Um so wichtiger ist es, die Ziele in Zukunft besser zu kommunizieren. Bei einigen Verordnungen schießt man über das Ziel hinaus und man muss gegensteuern. So ist die berühmte Gurken-Verordnung, in der die maximale Krümmung festgelegt wurde, längst wieder abgeschafft worden. Entstanden ist sie jedoch durch unser Kaufverhalten. In eine rechteckige Kiste passen mehr gerade als krumme Gurken hinein, so dass der Transportpreis für gerade Gurken geringer ist. Im Handel führt das nur zu wenigen Cent Preisunterschied pro Kilogramm, den aber keiner bezahlen will. Die Discounter können ihre niedrigen Preise nur halten, indem sie von den Herstellern die günstigste Waren kaufen, also gerade Gurken. Die Krummen vergammeln in den Lagern oder werden deswegen gar nicht mehr angebaut. Wer natürliche Früchte essen will, sollte nicht das Billigste, sondern das Zweitbilligste kaufen, denn die Verkäufer richten sich nach unserem Kaufverhalten. Deswegen werden auch ohne Gurken-Verordnung beim Discounter nur gerade Gurken angeboten.
Warum dieser Text ganz ohne Bilder? Um klar zumachen, dass die Dinge, die unser tägliches Leben am meisten beeinflussen, nicht in Berlin vom Bundestag und -rat entschieden werden, sondern vom Europaparlament und der EU-Kommission. Bei der diesjährigen Europawahl bestimmt man nicht nur, wer die nächsten 5 Jahre Europa lenkt, sondern es gibt erstmals europaweite Spitzenkandidaten, die sich ihre Kandidatur international erkämpft haben. Der kommende EU-Kommissionspräsident wird einer dieser von uns gewählten Spitzenkandidaten. Bisher wurde er von den Regierungschefs ernannt. Es lohnt sich also mehr als je zuvor am 25. Mai zur Wahl zu gehen oder Briefwahl zu machen!
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