Nov 30, 2014

Krieg um die Wahrheit

Meine Browser-Startseite war seit Jahren spiegel.de. Seit einigen Monaten fällt mir auf, dass die Berichterstattung immer unobjektiver wird. Der Höhepunkt war für mich dann diese aufgeregte Meldung, dass russische Kriegsschiffe durch den Ärmelkanal fahren. Darin wird auch erklärt, was internationale Gewässer sind und dass das alles normal ist. OK, aber wozu dann überhaupt so ein Artikel ganz oben auf der Hauptseite? Ich habe das Gefühl, dass nicht nur der Spiegel Angst schüren will. Es ist fast schon unheimlich, dass viele großen deutschen Medien fast identisch schreiben. Zum Beispiel der Kriegsschiffe muss man nur mal Google bemühen. Was ist daran objektive Berichterstattung? Wenn deutsche Kriegsschiffe durch den Suezkanal fahren, berichtet doch auch keiner darüber. Mittlerweile wird sogar jeder Abschuss von Übungsraketen berichtet, aber nur von russischen. Was ist mit chinesischen, oder japanischen Raketen und warum sollte mich als Leser das interessieren?

Sogar unsere, eigentlich unabhängigen, öffentlich-rechtlichen Medien nicht mehr objektiv. Die Meldung, dass Putin angeblich allein auf dem G20 Gipfel saß, ging ja bereits durch die Medien. Selbst schweizer Medien, die sonst immer neutral sind, berichten voreingenommen. Im Zug von der Arbeit liegen immer ein paar der schweizer Pendlerzeitungen herum und in einer las ich etwas von einem russischen Separatisten, der die Opfer des Flugzeugabsturzes verhöhnt. Dazu wurde ein Bild abgebildet, das aus einem Video stammt. Das Video zeigt aber genau das Gegenteil.

Eine gute Kabarettnummer zu diesem Thema liefert mal wieder Die Anstalt. Als ebenfalls Die Anstalt im April anprangerte, dass führende deutsche Journalisten nicht unabhängig sind und sogar für den Bundespräsidenten an Strategie-Reden mitschreiben um diese Reden dann in Artikeln zu loben, war ich skeptisch. Aber nachdem sie daraufhin verklagt wurden und Die Anstalt bzw. das ZDF gewonnen hat, scheint doch etwas dran zu sein.

Es geht mir nicht darum zu werten, ob Russlands Aktionen oder die von irgend einem anderen Land oder einer Organisation gut oder schlecht sind. Ich erwarte von unabhängigen Medien einfach eine unabhängige, also objektive Berichterstattung, die auf möglichst gut recherchierten Fakten beruht. Natürlich sind Redakteure auch nur Menschen und haben eine Meinung. Diese in Kommentaren kund zu tun ist auch vollkommen in Ordnung, aber es sollten alle Meinungen und deren Begründungen zu Wort kommen.

Meine neue Startseite ist seit gestern Telepolis. Dort gibt es Neuigkeiten zu allen erdenklichen Themen (nicht nur zu Politik), Hintergrundberichte und verschiedene Kommentare mit verschiedenen Meinungen.

Um mich jetzt wieder zu entspannen, höre ich jetzt den Song Cruisin' vom Künstlerkollektiv mit dem treffenden Namen "Künstler Kollektiv".

Nov 23, 2014

Die Anstalt über Flüchtlinge

Da kommt man geschafft von der Arbeit und will sich einfach etwas berieseln lassen. Warum nicht mal etwas Kabarett? Also macht man das Abendbrot und im PC läuft Die Anstalt. Die erste Viertelstunde plätschert nett vor sich in und dann bleibt einem der Bissen im Munde stecken. UNBEDINGT anschauen und zwar bis ganz zu Ende!:


Wahnsinn - der ganze Ablauf der Sendung und die Spitzen, die das Lachen gefrieren lässt. Die Szene mit dem Mann über Bord ist schon hart und das Gespräch mit dem DDR-Grenzer grandios entlarvend. Göttlich heftig ist auch die Gerichtsverhandlung, die darin gipfelt, dass Flüchtlinge zu Wort kommen. Ich hatte Tränen in den Augen.

Wann beschäftigt man sich schon mit dem Thema Flüchtlinge? Wenn mal wieder ein paar hundert Menschen tot aus dem Mittelmeer gefischt werden sind alle kurz betroffen, aber nach ein paar Tagen hat man es vergessen. Es ist schon verrückt was wir mit Kriegsflüchtlingen machen. Es ist ist klar, dass das Verständnis für Wirtschaftsflüchtlinge in der Bevölkerung nicht groß ist und das gilt für alle Länder, in denen ich bisher war. Es geht auch nicht um Wirtschaftsflüchtlinge, sondern darum, dass Leute, die um ihr Leben fürchten müssen, eine Chance haben muss, temporär aufgenommen zu werden. In Bosnien habe ich viele Leute getroffen, die während des Bürgerkrieges von Deutschland aufgenommen wurden und einige davon auch eine Ausbildung erhielten. Deren Dankbarkeit hat mich beeindruckt. Fast alle waren sentimental, denn sie nicht jeder wollte unbedingt wieder zurück aber alle waren der Meinung, dass man sein Land selber aufbauen muss.

Ja das Thema ist schwierig, aber Leute ertrinken zu lassen ist keine Lösung! Ob es einem gefällt oder nicht, man wird Leute nicht daran hindern können, auf der Suche nach einem besseren Leben nach Europa zu kommen. Man kann und muss nicht jeden aufnehmen aber man kann ihnen auch nicht beim Sterben zuschauen. Ich denke es ist in Ordnung, wenn man Wirtschaftsflüchtlinge wieder zurückschickt. Gerade die gut Ausgebildeten unter ihnen fehlen im eigenen Land und so ändert sich kaum etwas vor Ort. Es muss aber das Ziel sein, dass es in möglichst jedem Ort der Welt lebenswert ist und das geht nicht wenn z.B. Ärzte und Ingenieure auswandern.

Edit:
Da ich für diesen Eintrag arg kritisiert wurde, sage ich es nochmal ganz klar:
Es muss zwischen Wirtschaftsflüchtlingen und Flüchtlingen unterscheiden werden, die in ihrer Heimat mit dem Tod bedroht werden. Damit klar wird, wie Deutschland derzeit mit Flüchtlingen aus Syrien umgeht, sei auf dieses Video ab Minute 45 verwiesen: "Die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Syrien sind bedauerlich. Sie können aber keine besondere Härte begründen."

Nov 17, 2014

Freiheit ist alles

In den Ohren vieler Deutscher hat unser Bundespräsident den Begriff Freiheit zu oft gebraucht, aber er hat Recht. Freiheit ist extrem wichtig und wir sind uns oft nicht bewusst welches Privileg wir haben, diese zu besitzen.
Diesbezüglich werde ich eine Begebenheit aus meinen wenigen DDR-Jahren nie vergessen. Wir hatten einen Mitschüler mit schwierigem Elternhaus. (Ich habe im Sport einmal Striemen bei ihm gesehen und er hat mir erzählt, dass sein Vater ihn manchmal mit dem Gürtel schlägt.) Im Unterricht war er ein klassischer Hampelmann, der sich von den Lehrern immer weniger sagen ließ. Im Werkunterricht hat er dann unseren Lehrer von hinten getreten. Der Lehrer hat ihm dafür reflexartig so eine gescheuert, dass er gegen eine Wand geflogen ist. Ich mochte ihn nicht und nach dieser Aktion war ich froh, dass er nicht mehr in unserer Klasse war, und habe mich auch nicht gefragt wo er stattdessen war. Wir waren 9 Jahre alt und es waren noch einige Monate bis zur Wende. Und nach dieser war er wieder an der Schule - als Zombie! Er war so unglaublich eingeschüchtert und still. Er wollte auch mit keinem reden über seine letzten Monate reden. Mir sagte er nur, dass er zur Strafe für sein damaliges Verhalten in einem Heim für "Schwererziehbare" (was für ein bescheuerter Begriff!) war und dass es da schlimm war. Ich konnte nicht begreifen, wie jemand in ein paar Monaten so anders werden konnte.

Ein paar Jahre später bin ich durch Zufall in Torgau auf den ehemaligen  geschlossenen Jugendwerkhof gestoßen. Er war damals noch nicht zugänglich, aber ich habe daraufhin im Internet recherchiert und es hat mich sehr betroffen gemacht, was man mit Kindern gemacht hat, die meist nur ein kompliziertes Elternhaus hatten. Als hätten sie es nicht schon schwer genug, hat man sie gebrochen, teilweise für ihr ganzes Leben.

Der ehemalige geschlossene Jugendwerkhof; heute Gedenkstätte. (Bild von der Wikipedia)

Aus Anlass des Jahrestags des Mauerfalls gibt es eine kurze Dokumentation zu den Jugendwerkhöfen, aber auch "normalen" DDR-Kinderheimen mit ihren Strafsystemen:

Trauma Umerziehung: Heimkinder in der DDR

Hier noch zwei Links zum Thema:
Tja was passt dazu schon für Musik? Eigentlich nur etwas Verstörendes:
Aphex Twin - Ventolin

Ansonsten ist Torgau ein schöne Stadt, die auf jeden Fall einen Besuch lohnt. Und diejenigen, die sich nicht vorstellen können, dass oder warum die DDR ein Unrechtsstaat war, der sollte so mutig sein, außer dem Schloss Hartenfels auch die Gedenkstätte des Jugendwerkhofs zu besuchen.