Jan 26, 2012

Sim - kein Spiel für schwache Nerven

Wie so oft will man nur mal eben etwas fix in der Wikipedia nachschlagen und landet dabei bei Themen, die nicht im Entferntesten etwas mit dem eigentlich Gesuchten zu tun haben. Auf diese Weise bin ich über den Satz von Ramsey gestolpert, der mich zum Spiel namens Sim führte:

Sim als Browserspiel

Bei Sim gibt es nur zwei Regeln:
  1. die Spieler färben abwechselnd je einen Stab
  2. wer zuerst mit seinen gefärbten Stäben ein Dreieck bilden kann, hat verloren
Klingt einfach und wenn zwei Menschen gegeneinander spielen ist es sehr unterhaltsam, da es keine Strategie gibt, die man immer befolgen könnte. Man muss auf jeden Zug des Gegners individuell reagieren.

Im Browserspiel spielt man allerdings gegen den Computer, der sich keine Fehler erlaubt. Wer es schafft in meiner Gegenwart den Computer zu schlagen, ohne die Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen, dem gebe ich einen Kasten Bier aus. Na dann Prost!
Dazu passt Hard-Fi - Hard to beat

Jan 23, 2012

Militärhistorisches Museum der Bundeswehr

Die Möglichkeit ein Museum rezensieren zu können gibt es nicht oft. Insofern konnte ich mich nicht an mich halten, die ansonsten besinnliche Weihnachtszeit mit einem aufwühlenden Besuch im neuen Militärhistorischen Museum zu würzen. Dazu passt Der brave Soldat Schwejk in voller Länge.

Im Vorfeld gingen die Meinungen über den Umbau des Museumsgebäudes in der Dresdner Albertstadt stark auseinander, aber der Keil passt. Zum Einen ist es dadurch nicht mehr ein x-beliebiger wilheminischer Bau und damit werden auch die Brüche der deutschen Militärgeschichte symbolisiert. Von der oberen Ebene des Keils hat man eine schöne Aussicht über Dresden und kann sie doch nicht wirklich genießen. Gerade als Dresdner ist man dem Selbstmitleid ob der unnötigen Zerstörung Dresdens zu Kriegsende oft nah. Aber was die deutsche Luftwaffe mit polnischen Städten in ähnlich militärisch unwichtigen Lage anfing ist einem meist nicht bewusst. Der Besuch da oben hat bei mir diesbezüglich Einiges in der Wahrnehmung verändert.

Das Museumsgebäude mit Keil.

Blick aus dem zweiten Stock in Richtung Innenstadt. Vom Keil hat man noch einen besseren Blick, der sich aber nur schlecht fotografieren lässt.
Das Museum beinhaltet de facto 3 eigenständige Ausstellungen: 1300 - 1914, 1914 - 1945 und 1945 - heute. In jeder dieser Ausstellungen kann man ohne Probleme mehr als 1 Stunde verbringen, denn das Material ist reichhaltig und es werden unglaublich viele Aspekte angeschnitten, wenn es auch nie wirklich in die Tiefe geht. Es ist schon erstaunlich, dass so viele Generationen Kriege als etwas Normales empfunden haben und wie Kriege die Gesellschaft verändert haben. Leute die zu Friedenszeiten nie weiter als 30 km von ihrem Wohnort weg kamen, marschierten nun durch ganz Europa, kämpften für Ziele die sie oft nicht verstanden, lernten aber dabei neue Kulturen kennen. Dazu wurden schlagartig unzählige Erfindungen gemacht. So bitter es ist, aber es scheint, dass erst Kriege den Menschen zu ingenieurtechnischen Höchstleistungen angespornt haben.
Toll finde ich die vielen Lebensläufe von Personen aus einem Konflikt. Meist ein hoher Militär oder ein Regierungsmitglied und dazu immer Jemanden aus dem "Fußvolk". So werden die verschiedenen Sichtweisen auf die Konflikte deutlich und auch, dass die Geschichtsschreibung bis 1914 ausschließlich die Sichtweise der Fürsten und Könige widerspiegelt.
Interessant war es auch, dass das Berufsritter- bzw. -soldatentum dazu führte, dass der grausame Kriegsalltag dem Großteil der Bevölkerung verborgen blieb (vom Dreißigjährigen Krieg mal abgesehen). Das änderte sich erst im 19. Jahrhundert. So richtig klar wurde das aber erst im Ersten Weltkrieg. Die Ausstellung 1914 - 1945 ist dann auch die Bedrückendste. Es gibt in der Ausstellung viele Interaktionen und so auch eine Kammer. Darüber steht ein Ausspruch eines Soldaten "Den Geruch im Graben kannst du nie mehr vergessen." Gemeint waren die Gräben des Ersten Weltkriegs. Man kann die Kammer öffnen und den nachgestellten Geruch aus gammelndem Filz, Modder und von Leichen aufnehmen. Und Tatsache, selbst beim Schreiben dieser Zeilen schwirrt er wieder in mir herum - unglaublich!
Bedrückend war es auch, wie viele Kinder unter 12 Jahren im Museum waren. Fragt eine Vater seinen Sohn: "Da hinten gibt es tolle MGs oder willst du woanders hin?". Seine Antwort: "Ich will zu den Panzern!" Am Tisch über hingerichtete Deserteure stehen zwei Mädchen. "Komisch, die sind ja alle nicht mal 30 geworden." "Ah klar, hier hängen sie ja." Dabei weist sie auf ein Foto mit am Galgen hängenden Soldaten. Unglaublich wie wenig Weitsicht die Eltern an den Tag legen. An einer Stelle ist eine eingelegte Fußsohle ausgestellt, die wegen Nekrose amputiert werden musste. Eigentlich ist sie ganz unscheinbar, denn es geht bei den Ausstellungen nicht ums Schocken. Leider ist sie in Kinder-Augenhöhe angebracht. Und so war ein Junge der nichtsahnend um die Ecke kam auch sehr verstört. Ich fürchte, er konnte eine Weile nicht ruhig schlafen. Die Ausstellungen sind sehr gut gemacht, aber nichts für unter 14-jährige!

Wichtige Info, zum Glück nichts mehr für deutsche Kinder.
Der Weg zwischen den Ausstellungen ist mit vielen Themen gestaltet. So kann man ein marschierendes Bataillon abschreiten, das an der Wand aufgeklebt ist. Dabei läuft man über eine Rüttelplatte, die die Vibrationen des Marschierens erlebbar macht. Die Wand erscheint endlos lang und am Ende wird lapidar bemerkt, dass zum Ende des ersten Weltkriegs jeden Tag mehr Soldaten starben. Es gibt aber auch einfach nur Interessantes wie die Raumkapsel Sojus 29, den Brandtaucher oder eine Staatskarosse der DDR. Eine Linguistik-Vitrine erklärt einige Redewendungen, die aus dem Militärischen kommen. Schon gewusst, woher "Ein Auge riskieren" kommt oder woher der Begriff "Kraftprotz" stammt? Wenn nicht, dann steht einem Besuch ja nichts mehr entgegen.

Dec 31, 2011

Litoměřice - ein Perle Böhmens

In Erwartung der sich mit Beginn des nächsten Jahres wieder allgemein ausbreitenden Hektik habe ich die Zeit genutzt, möglichst wenig zu tun. Was nicht aber heißt, auf Genuss zu verzichten. Für das leibliche Wohl war wieder bestens gesorgt und damit alle Sinne genießen konnten, ging es für einen Tag nach Litoměřice.
Dazu passt Mickey 3D - Demain finira bien.
Die kleine Stadt in Nordböhmen liegt nur 3 km von Terezín entfernt, das durch seine als KZ genutzte Festung traurige Berühmtheit erlangte. Sie ist von Dresden preiswert (dank des Sachsen-Böhmen Tickets) und bequem per Zug zu erreichen (im Sommer sogar von einem durchgehenden). Malerisch über der Elbe liegt es am Südrand des böhmischen Mittelgebirges in einem milden Klima, in dem Weinbau möglich ist. Da es kein Industriezentrum war, blieb es von Bombardierungen verschont und so ist die Altstadt fast vollständig erhalten und mittlerweile auch vorbildlich restauriert.
Ein kleiner Stadtrundgang (alle Bilder sind mit einer billigen Handy-Kamera ohne optischen Zoom geschossen worden, daher die schlechte Bildqualität):
Los geht es am, für eine kleine Stadt, überdimensionierten Marktplatz.

Marktplatz mit Kelchhaus.

Das Bild zeigt die Südseite des Platzes mit dem Kelchhaus. Der Kelch erinnert an die Zeit der Hussiten, als die Stadt sich den Utraquisten anschloss. Wie man am Scheingiebel des Hauses mit Sgraffito sieht, versuchte man mehr zu repräsentieren als man sich leisten konnte.
Markt, Westseite.

Das Rathaus auf der Ostseite.
Die Kirche am Marktplatz hat auf dem Schiff mehrere Türme, deren Sinn ich nicht in Erfahrung bringen konnte. Ich vermute mal, dass sie Scheintürme sind, denn von ferne wirkt die Stadt durch sie noch dichter bebaut und reicher:
Kirche mit 5 Türmen.

Typische Stadtszene.
Seit der erzwungenen Rekatholisierung ist Litoměřice Sitz eines Bischofs. Das ehemalige Jesuitenkolleg diente als Priesterseminar:
Blick von der Elbe auf das Jesuitenkolleg.
Blick auf den Dom, der auf dem Gelände eines Klosters errichtet wurde:
Der Dom mit separatem Glockenturm. Rechts die noch nicht sanierten Klosteranlagen.

Blick vom Stadttheater auf den Dom.

Blick auf die Stadtmauer mit Jesuitenkolleg und Elbbrücke. Wenn die Bäume Blätter haben muss es auf den Terassen wunderbar sein.

Das älteste Haus der Stadt aus der Zeit der Gotik ist recht schlicht.

 Im Norden der Stadt sind die Häuser aus k.u.k.-Zeiten, wo es hieß: "Klotzen, nicht kleckern!"

Straßenzug in der Nordstadt. Ein Haus schöner als das andere.
Auf die Details kommt es an.
Dadurch ist auch jede noch so banale Einrichtung in einem Prachtbau untergebracht. Zwei Beispiele:
Die Grundschule.
Das Polizeirevier
 Parks gibt es natürlich auch:
Park hinter dem Wein-Speicher.

Heimfahrt: Blick über das Gleisfeld von Ústí-západ. Usti ist leider immer noch eine ziemlich unansehnliche Industriestadt

Fazit: eine Reise die sich gelohnt hat. Schon allein die Zugfahrt dort hin durch die Sächsische Schweiz und das böhmische Mittelgebirge sind beeindruckend. Wer die Möglichkeit hat, in Litoměřice Station zu machen, sollte sie unbedingt nutzen!
Einziges Manko war die Jahreszeit. Wenn es grün ist, wirkt das alles noch besser und die Terassen und Parks laden zum Verweilen ein. Was auffiel ist, dass in Nordböhmen immer noch mit der heimischen Schwefelkohle geheizt wird, die nicht nur die Orte in stinkende Rauchschwaden hüllt, sondern auch sauren Regen verursacht, dessen Auswirkungen man auf dem Erzgebirgskamm leider gut sehen kann.

Dec 14, 2011

Vorbilder - Teil 1

Ehe ich zu alt werde, und Gefahr laufe, ein Vorbild für andere zu werden, wird es Zeit meine Vorbilder vorzustellen.
Das Leben ist bekanntlich eines der buntesten und daher reicht ein Vorbild nicht aus. Ich habe es daher in bester schwarz-grau-weiß Malerei in die 3 Bereiche menschlich, musikalisch und politisch geteilt (wobei die Übergänge natürlich fließend sind).

Teil eins handelt von Rüdiger Nehberg. Vielen nur als Abenteurer bekannt, hat er sich die meiste Zeit seines Lebens auch für Andere eingesetzt. Das Beeindruckende dabei ist, wie effektiv und sachlich er dabei ist. Zudem hat er eine Art, die dazu ansteckt Dinge einfach mal zu machen, egal was es für Bedenken gibt.
Zuerst wurde ich über den Film "Wüste des Todes - Wettlauf durch den australischen Busch" auf ihn aufmerksam, in dem er sich mit zwei Anderen einen Wettlauf durch Australien lieferte. In einer Szene des Films erklärt er den Unterschied zwischen echtem und anerzogenem Ekel und seitdem fällt es mir schwer Essen wegzuwerfen, das noch gut ist.
Danach habe ich ihn ab und an mal bei TVTotal wahrgenommen, bis ich 2006 durch Zufall die Tagesschau sah in der von seiner Islamkonferenz berichtet wurde. Ich war gerührt und beeindruckt, wie es ein Europäer schaffen kann, dass sich die höchsten Vertreter des sunnitischen Islam treffen und ein ansonsten tabuisiertes Thema behandeln.
Konkret ging es um die Beschneidung von Frauen, die in Nordafrika seit Jahrtausenden durchgeführt wird (pharaonische Beschneidung). Nun versuchen viele Organisationen seit Jahrzehnten die Leute vom Unsinn dieser Tradition zu überzeugen -- ohne Erfolg. Zudem geht es vielen Organisationen nicht um den Zweck sondern um Selbstdarstellung aber dazu ein anderes Mal.
Nehberg und seine Mitstreiter haben diese Problematik erkannt und den Verein TARGET gegründet, der keine Mitglieder aufnimmt, denn viele Köche verderben den Brei. Der Ansatz ist es, nicht wie bei "Entwicklungshilfe" die Leute zu belehren was unserer Moral entspricht, sondern ihnen zu helfen auf Beschneidungen verzichten zu können. Daher geht es neben Aufklärung um ökonomische und medizinische Unterstützung vor Ort.
Die moralische Instanz vor Ort ist der Imam und die Beschneidung von Frauen hat nichts mit Religion zu tun. Wenn der Imam predigt, dass Beschneidung unislamisch ist, hat man Rückhalt in der Bevölkerung. Zudem ist es dann nicht ein Ausländer der sagt was er für richtig hält, sondern einer von Ihnen. Es ist daher eine unglaublich große Leistung diese Islamkonferenz einberufen zu haben, auf der dann auch festgestellt wurde, dass Beschneidung unislamisch und sogar strafbar ist.
Nun gilt es diese Feststellung auch in jedem Winkel der Erde kund zu tun. Von dieser "Karawane der Hoffnung" handelt das gleichnamige Buch. Darin wird auch beschrieben, wie man den Beschneiderinnen hilft, anderweitig Geld zu verdienen, wie man es geschafft hat, dass auch die christlichen Kopten weitgehend nicht mehr beschneiden, wie die Männer und Frauen vor Ort mit den Beschneidungen umgehen und wie es zur Islamkonferenz gekommen ist. Dieses Buch hat mich schwer beeindruckt und ich habe gelernt dass man unsere Maßstäbe nicht für andere Kulturen verwenden darf.

Nehberg ist für mich ein Vorbild wie man gute Ideen einfach mal in die Tat umsetzt. Da hatte sich ein einfacher Mann aus Deutschland ohne politisches Amt vorgenommen, ein heikles Thema fern seiner Heimat anzupacken und die Führer einer anderen Weltreligion an einen Tisch zu bekommen. Er wird wahrscheinlich Unmengen Bedenken gehört haben und es hat bestimmt Einige gegeben, die ihn für weltfremd und verrückt gehalten haben. Selbst die erfolgreiche Islamkonferenz wurde kritisiert. Aber er hat es einfach durchgezogen und damit vielen Menschen viel Leid und Schmerz erspart. Denn den Betroffenen ist es egal, ob der Geistliche, der es schafft, dass die Tortur den Mädchen nicht mehr zugefügt wird, bei anderen Themen andere Ansichten hat.
Dieses "einfach mal machen" zeichnete und zeichnet auch all seine anderen, zahlreichen Projekte aus. Zudem finde ich es vorbildlich, dass er sich nie nur einer Sache verschrieben hat.

Nov 27, 2011

Interview mit Prof. Schneider

In einem der letzten Blogeinträge habe ich schnippisch ein Video verlinkt, das sich über den Bundestrojaner lustig macht. Aber was genau hat es damit auf sich? Um das herauszufinden habe ich (IC) für ein Stadtteilmagazin Prof. Schneider (PS), den Leiter des Rechenzentrums der Uni Freiburg interviewt.
Musik dazu gibt es von Yann Tiersen: A Secret Place

IC:
Sehr geehrter Herr Prof. Schneider, was macht der Bundestrojaner eigentlich?:
PS:
Das weiß man gar nicht so genau. Die ursprüngliche Intention war, dass man das Programm auf dem Zielrechner einschleust, um verschlüsselte (Telefon-)Gespräche abhören zu können. Da die Internet-Telefonie häufig sehr gute Verschlüsselungsmethoden einsetzt, die nicht zu knacken sind, ist der Rechner des vermuteten Straftäters die einzige Stelle, an der Ton klar verständlich ist. Aber wie sich jüngst zeigte, kann der Bundestrojaner weitere Methoden der Überwachung nachträglich aktivieren, so dass die Möglichkeiten eigentlich unbegrenzt sind, wenn er einmal auf dem Zielrechner installiert ist.
IC:
Der Trojaner ist also ein Computervirus?
PS:
Jein – Computertrojaner und Computerviren sind unterschiedliche Angriffsmethoden. Sagen wir so: Es ist ein Programm, dessen Existenz beim Besitzer des Zielrechners unerwünscht ist (aus welchen Gründen auch immer)
IC:
Was genau darf der Trojaner laut aktueller Rechtslage eigentlich und was nicht?
PS:
Das muss ein Jurist beantworten. Bei der Ausarbeitung der Vorschriften ging man jedenfalls von der falschen Auffassung aus, dass man genau unterscheiden kann, was auf dem Zielrechner abläuft und man deshalb nur die juristisch erlaubten Daten abhören könne.
IC:
Wie kann der Trojaner auf meinen PC gelangen?
PS:
Das liegt ganz im Können der Computer-Fachleute, der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Am einfachsten wird er bei einer Zollkontrolle aufgespielt – das wird die observierte Person aber mitbekommen. Deshalb versucht man vermutlich, Sicherheitslücken in den Betriebssystemen auszunutzen, um durch die lokale Firewall zu gelangen. Oder aber man schickt der Zielperson eine unverfängliche Email, in der Hoffnung, dass diese Person dann den darin enthaltenen Link anklickt.
IC:
Warum dürfen gängige Anti-Virenprogramme, den Bundestrojaner als Virus markieren? Damit kann das Programm doch bei den potentiellen Straftätern gar nicht mehr aktiv werden.
PS:
Das Internet ist international. Was im deutschen Rechtsraum zulässig ist, wird andernorts als Angriff auf den Rechner gesehen. Ich glaube nicht, dass die USA den Bundestrojaner einfach so passieren lassen wollen. Und wenn man weiß, dass die deutsche Version einer Antivirensoftware den Bundestrojaner nicht erkennt, wohl aber die französische – was wird dann die Reaktion einer kriminellen Person sein? Frankreich ist nicht weit. Außerdem möchten Sie als rechtschaffene Person ja auch nicht, dass der Bundestrojaner “versehentlich” auf Ihren Rechner kommt. Wenn es jemandem gelingt, den Bundestrojaner nachzubauen (und das ist nun, da eine Version bekannt ist, möglich), könnte man dann auch in böser Absicht auf Ihren Rechner eindringen.
IC:
Zum Thema Datenschutz. Der Erfolg der Piratenpartei zeigt, dass Teilen der Bevölkerung Datenschutz wichtig ist. Ein Hauptthema der Piratenpartei im Wahlkampf war die Überwachung des Internets und die Vorratsdatenspeicherung.
Herr Schneider, was wird denn aktuell eigentlich auf Vorrat gespeichert?
PS:
Zuviel. Wobei man klar unterscheiden muss, ob der Staat aufgrund geltender Regeln dies tut, oder private Firmen wie Facebook oder Google. Der Staat kann alle Daten ansammeln, was sich zu einem gefährlichen Wissensbestand aufaddieren kann, mit dem man auch Unschuldige gut verdächtigen kann. Private Firmen können nicht einfach mit Anderen ihre Daten austauschen, bzw. werden dies nicht tun. Letztlich ist aber jede Vorratsdatenspeicherung erst mal kritisch zu hinterfragen.
IC:
Das Sammeln von Daten zur Kriminalitätsbekämpfung klingt doch sinnvoll. Warum ist diese Speicherung in den Augen Einiger ein Problem?
PS:
Ich glaube, jeder, der sich etwas damit beschäftigt, wird das Problem sofort erkennen: Wenn Sie auf einer Videoüberwachung im Hauptbahnhof zu sehen sind, weiß man sofort, dass Sie nicht zu Hause sind und man ungestört dort einbrechen kann. Können Sie sich zu 100 % sicher sein, dass derjenige, der Zugriff auf die gesammelten oder gespeicherten Daten hat, eine absolut vertrauenswürdige Person ist, die Niemandem ihre Kenntnisse mitteilt? Da Sie nicht absolut sicher sein können, erhöhen Datensammlungen zugleich die Unsicherheit. Man muss also genau überprüfen, ob eine Speicherung mehr Sicherheit oder gar weniger Sicherheit bringt.
IC:
Aber wie soll man denn sonst der Internetkriminalität, wie Kinderpornographie und Terrorismus beikommen?
PS:
Wie bisher auch – die Aufklärungsquote ist offenbar bereits gut. Die Datenspeicherung hilft ja höchstens hinterher, wenn das Verbrechen bereits geschehen ist, Zusammenhänge zu verstehen. Davon hat das Opfer gar nichts. Das Kritik an der Vorratsdatenspeicherung zielt auf das hemmungslose Horten aller möglichen Daten, die im Vorfeld keine neuen Erkenntnisse liefert, aber die Privatsphäre aller unbescholtenen Bürger nachhaltig gefährdet. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass, wenn Daten im Übermaß verfügbar sind, in der Politik Ideen geboren werden, die vorhandenen Daten für einen ganz anderen Zweck auszuwerten.
Und bedenken Sie: Auch die Stasi konnte trotz immenser Datensammlung die Entwicklung in der DDR nicht vorhersagen und auch die USA wurden von den Ereignissen des 11. September kalt erwischt, obwohl die damals schon existierenden Datensammlungen alle notwendigen Hinweise enthalten hatten, wie man hinterher heraus fand.
Apropos Internetkriminalität: Viele dieser Fälle sind eigentlich vermeidbar, wenn der Nutzer nicht im Glauben an ein grandioses “Schnäppchen” Geld vorab überweisen würde, sondern mit gesundem Menschenverstand von dubiosen Angeboten Abstand nehmen würde
IC:
Als unbescholtener Bürger hat man doch aber nichts zu verbergen und die Überwachung zum Zweck Kriminelle nachträglich überführen zu können, scheint doch alternativlos.
PS:
Wenn Sie nichts zu verbergen haben, wieso schließen Sie abends die Rollläden, warum veröffentlichen Sie nicht die Kontobewegungen auf Ihrem Girokonto oder dokumentieren Ihre Eheprobleme auf Facebook und warum schreiben Sie nicht an Ihre Haustüre “ich bin 4 Wochen in Urlaub”? Das Argument “nichts zu verbergen” übersieht, dass andere aus veröffentlichten Informationen durchaus einen Vorteil zu Ihren Lasten ziehen können, und sei es der Einbrecher.
Ob die Überwachung in der flächendeckenden, verdachtsunabhängigen Form durch Datenspeicherung wirklich alternativlos ist, muss massiv bezweifelt werden. Warum haben wir im realen Leben nicht an jeder Ecke einen Polizisten stehen und wieso dürfen wir uns überhaupt in ganz Europa frei bewegen? Früher musste man schon das Verlassen einer Stadt beantragen. Ist die Kriminalität heute höher?
Aber wie gesagt, es geht vor allem um die hemmungslose Vorratsdatenspeicherung. Kaum jemand hat etwas dagegen, dass im Verdachtsfall die Daten einer (auch möglicherweise zu Unrecht verdächtigten) Person und deren Umfeld auf richterliche Anweisung hin gespeichert werden. Dann ist nur ein kleiner Kreis betroffen und die Auswirkungen auf die Gesamtbevölkerung marginal.
Ein anderes Beispiel: Stellen Sie sich vor, es gäbe ein Gesetz, dass die Navigationsgeräte in den Autos ein vollständiges Fahrtenbuch mitprotokollieren und auf einen Zentralspeicher hochladen müssten (was technisch heute gar kein Problem mehr ist). Würden Sie dann noch unbeschwert Autofahren? Jede Bewegung wäre ja überwacht. Die Unfallrate würde sicherlich deutlich zurückgehen, denn man könnte die gesammelten Daten ja im Nachhinein auswerten, ob auch jeder sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen gehalten hat. Vermutlich würde dies tausenden von Menschen das Leben retten, also ist der Einsatz einer solchen Überwachungstechnik eigentlich alternativlos. Und gute Autofahrer haben eh nichts zu verbergen, weil sie fehlerfrei fahren. Einverstanden?
IC:
Wo werden die erfassten Daten gespeichert und wie kommt die Polizei daran?
PS:
Die Daten werden zunächst bei den Internet-Providern gespeichert, die die Mehrkosten für die notwendige Technik natürlich auf die Nutzer umlegen. Die Polizei kann diese Daten bei Bedarf abrufen.
IC:
Wie wird sichergestellt, dass die Daten nicht von Anderen als der Polizei verwendet werden?
PS:
Eine 100 %ige Sicherheit kann es nicht geben. Natürlich werden die Provider allein aus Haftungsgründen ihre Datenspeicher gut sichern. Dennoch sind Datenlecks niemals ausgeschlossen – und sei es, weil der Mitarbeiter eines Providers der Partei A angehört und “zufällig” brisante Informationen eines Kandidaten der Partei B gefunden hat. Der kommerzielle Wert der Daten ist beträchtlich, da man problemlos anonymisierte, aber auch personalisierte Bewegungsprofile erstellen kann, die für die Werbeindustrie hoch attraktiv sind. Da könnte schon mal ein Mitarbeiter eines Providers “schwach werden” oder ein Hacker ein lohnendes Ziel erkennen. Wenn Daten einmal existieren, ist es sehr schwer (bzw. sogar unmöglich) sicherzustellen, dass sie nur für den einst gedachten Zweck genutzt werden und nicht zur Gewinnung ganz anderer Erkenntnisse.

Nov 22, 2011

Plasmatiker

Wie Eingeweihte bereits wissen, stelle ich meine Schaffenskraft sein ein paar Wochen der Wirtschaft zur Verfügung. Für mich relativ überraschend bin ich in Freiburg hängen geblieben und beschichte nun mit Hilfe von Plasmen Oberflächen aller Art mit Schichten aller Art.

Plasma ist der Zustand, in dem sich über 99 % der Masse des Universums befinden; z.B. alle Sterne. Grob gesagt entsteht Plasma dann, wenn man den Atomen Elektronen weg nimmt. Anwendungen dafür gibt es zuhauf: In einer Leuchtstoffröhre und auch Energiesparlampe "brennt" Plasma, im Plasmabildschirm auch. Man kann mit Plasmen gezielt Ozon und UV-Strahlung zur Desinfektion von Wasser erzeugen und auch chemische Reaktionen in Gang bringen. Das kann man nutzen um z.B. Bauteile mit sehr harten, diamantähnlichen Schichten zu beschichten oder um Verunreinigungen von Oberflächen wegzuätzen. Hier ein Bild von Plasma in einem von mir entwickelten "Plasmastempel":
Helium-Plasma in einem Plasmastempel. In den roten Bereichen brennt ein Plasma. Die schlangenartige Struktur ist einen halben Millimeter breit. Mit so einem Stempel kann man Oberflächen strukturiert aktivieren.

Stellt sich jetzt nur noch die Frage, welche Musik zu Plasma passt. Vom Songnamen her passt Augstsprieguma līnija - Plasma, vom  Bandnamen her passt Plasma - The Sound. Es passt übrigens nicht Evelyn Thomas - High Energy, denn die Energien im Plasma sind recht gering.

Der Nachteile einer geregelten Arbeit sind bekanntlich die Regeln. Und damit tue ich mich recht schwer. Ich konnte 10 Jahre in gewissen Grenzen aufstehen, wann ich wollte und hatte äußerst flexible Arbeitszeiten. Nun jedoch muss ich jeden Morgen zur selben Zeit anfangen. Ich bitte um eine Dose Mitleid! Aber Rebell wie ich nunmal einer bin, nehme ich jeden Morgen einen anderen Zug, mal um 7:45, mal um 8:15 Uhr. Dafür ist der Weg vom Bahnhof zu den Plasmakammern ein Traum: Morgens geht es auf einer Radweg-Allee den Vogesen entgegen, nachmittags blicke ich auf den majestätischen Hochblauen. Gut, momentan ist auf dem Heimweg Dämmerung, wir haben hier, mit Ausnahme von wenigen Tagen, seit mehr als zwei Wochen Dauernebel und bald geht es in die Minusgrade. Aber dafür bleibe ich fit und werde früh auch ohne koffeinhaltige Flüssigkeiten munter.

In Memoriam: Georg Kreisler

Heute ist Georg Kreisler verstorben, einer der schwarzhumorigsten, deutschsprachigen Kabarettisten. Seine Lieder und Texte sind den meisten Leuten unbekannt, da er seine große Zeit in den 50/60er Jahren hatte, aber es lohnt sich, sie wieder herauszukramen. Kreisler betrachtete sich als Anarchist und nahm daher so ziemlich alles auf die Schippe, Militarismus aber auch die Demokratie. Ein Album von ihm heißt dann auch bezeichnenderweise "Lieder gegen alles". Seine Spezialität waren jedoch abstruse und dennoch tiefgründige Texte.
Hier ein paar Kostproben: