Feb 22, 2011

Hopp, hopp, rin in den Kopp!

Habe gerade vom Erdbeben der Stärke 6,3 in Neuseeland gelesen und die Bilder sehen schrecklich aus. 4 Tage bevor ich in Concepción war, gab es dort ein Beben der Stärke 6,9 und es ist überhaupt nichts passiert. Wahrscheinlich tauchte es auch gar nicht erst in Deutschland in den Nachrichten auf. Na ja, wundere mich nur über die Erdebenskala, deren Stärke wohl nichts über die Zerstörung aussagt.

Da ich nun ein paar Tage in Santiago Zeit habe, probiere ich mich mal als Journalist und werde Blogeinträge über Land und Leute schreiben. Los gehts mit dem leichten Thema der chilenischen Essgewohnheiten, das zudem interessante Bilder zu bieten hat:

Der kulinarische Tagesablauf sieht meist so aus:
  • was Kleines zum Frühstück (die Arbeit fängt hier meist um 9 Uhr an)
  • ganz wenig zum Mittag. Einige gehen nach eigener Aussage nur zum Mittagessen in ein Restaurant um gesehen zu werden und Geschäftspartner zu treffen. Im Urlaub allerdings wird auch gerne mal richtig zu Mittag gegessen, wie man es in Deutschland kennt. Das Mittagessen findet so gegen 14 Uhr statt. So war ich z.B. in Ancud in einem riesigen Fischrestaurant mit zwei Etagen um 13 Uhr der einzige Gast. Um 14 Uhr war dann jeder Platz besetzt. Die "richtigen" Restaurants machen erst um halb eins auf. FastFood Restaurants haben natürlich permanent offen.
  • um 17-18 Uhr gibt es Once. Once bedeutet elf, hat aber wohl nichts mit dieser Zahl zu tun. Jedenfalls ist es eigentlich eine Zwischenmahlzeit so wie bei uns Kaffee und Kuchen. Für mich reicht ein Once allerdings schon für den Rest des Tages, denn man bekommt ordentlich was auf den Teller. Meist sind es ein Stück Torte oder Kuchen, eine Empanada und zwei Toasts. Kuchen heißt auf chilenisch übrigens auch "Kuchen" und wird auch deutsch ausgesprochen - das hat man von den deutschen Siedlern des Südens (Valdivia-Region) übernommen. Die Kuchen finde ich sehr lecker, allerdings sind sie sehr süß. Wenn ich so darüber nachdenke, mögen eigentlich alle Völker richtig süße Sachen: Ost- und Südeuropa, Asien, Arabien, Afrika, Lateinamerika. Wir Deutschen sind da also etwas speziell mit unserer Vorliebe für wenig Zucker. Die Toasts und Empanadas sind sehr fettig, so dass ein Once ordentlich Kalorien hat.
  • Abends, so gegen 22 Uhr wird so richtig reingehauen, es gibt dann in etwa das, was wir zu Mittag essen. Je nach Geldbeutel, wird aber auch einfach nur viel Brot gegessen.

Durch die vielen Kalorien haben die Frauen hier leider fast alle einen Speckring in der Gürtelzone. Dazu passt mit viel Ironie Irre Locke - Leider.

Typisch chilenisch sind Empanadas. Die gibt es zwar überall in Lateinamerika, aber jedes Land hat eben so seine Spezialfüllungen und Teige. Kuchen gibt es in den anderen Ländern ringsum in der deutschen Form auch nicht. Außerdem ist Chile das Paradies für Meeresfrüchteliebhaber, zu denen ich mittlerweile auch gehöre. Der große Vorteil ist nicht die lange Küste, sondern die kalte Meeresströmung des Humboldtstroms. Dank diesem kann man zwar ohne Neoprenanzug nicht im Meer baden (OK, es gibt Leute, die stehen auf Eisbaden), aber es wachsen auch kaum Algen und Einzeller. Besonders Dinoflagellaten sind ja ein riesen Problem und führt zu Fischvergiftungen, die tödlich enden können. Viele Tiere, die Meerwasser filtern und sich von Krill und ähnlichem Kleingetier und Pflanzen ernähren, sind daher in anderen Teilen der Welt ungenießbar.
Zwei Beispiele:
- Erizo, das ist Seeigel. Sie werden einzeln von Tauchern eingesammelt, weswegen sie recht teuer sind. Es gibt davon mehrere Sorten, rotes und weißes Fleisch. Die mit dem weißen Fleisch haben eine grüne Schale, die man mit einer Zange eindrückt.
Frisch gefangene Erizos mit Innenleben.

Man holt dann den Glibber aus der Schale und wäscht das Salz aus. Was aber bleibt, ist ein intensiver Iod-Geschmack. Wenn man es nicht direkt auf dem Fischmarkt oder direkt nach dem Kauf zu Hause isst, füllt man es in Flaschen mit Meerwasser ab. So halten sie sich noch ein paar Tage frisch. Wegen des Iod-Geschmacks isst man Erizo mit viel Zitronensaft, was es etwas neutralisiert. Dazu gibt es Zwiebeln und Grünzeugs wie Petersilie, sowie eine recht geschmacksintensive Marinade. Ich wollte das unbedingt mal ausprobieren, aber kein Restaurant hatte das auf der Karte. In einem haben sie es dann extra für mich zubereitet.
Mein Erizo-Menü.

Nun gut, ich dachte mir, dass ich das erste Stück mal pur probieren sollte. Gaaaannnnzzzz schlechte Idee, denn ich musste hart mit meinem Brechreiz kämpfen. Zudem saß ich in einem wirklich noblem Restaurant und wurde als zu der Zeit noch einziger Gast von 4 Bedienungen neugierig beäugt. Ich habe dann ca. eine dreiviertel Stunde mit dem Essen gerungen, aber mit viel Zwiebeln und der Marinade, ging das dann schon zu Essen. Für Erizo gilt wohl, dass man es entweder hasst oder liebt, es gibt nichts dazwischen. Viele essen es als Vorspeise vor einem Fischgericht. Dazu passt Badly drawn boy - Disillusion (zudem ein nettes Video).

- Cochayuyo, das ist Seetang. Cochayuyo sammelt man einfach an der Küste ein und verknotet es zu einem Bündel. Dies wird getrocknet und hält sich dann viele Tage, wenn nicht gar viele Wochen. Bitter sind die Lebensumständer der Cochayuyo-Fischer. Sie sind so arm, dass sie sich keinen LKW leisten können. Daher packen sie den Tang auf Ochsenkarren und ziehen damit über hundert Kilometer durchs Land um es zu verkaufen. Da die Ochsenklauen nicht für Asphalt und Betonstraßen gemacht sind, werden ihnen aus Autoreifenstücken "Schuhe" gemacht.
Cochayuyo im natürlichen Habitat. Einige tote sind angespült worden.
Ochsenkarren der Cochayuyo-Fischer. Man beachte die Ochsenschuhe.
Es gibt unzählige Verwendungsmöglichkeiten: in Salaten, mit Käse überbacken, als Gemüsebeilage zum Fleisch,... Bei meiner Familientour um den Osorno-Vulkan haben sich die Frauen gegenseitig mit dem angeblichen besten Rezept überboten - sehr niedlig ;-). Die Männer mögen Cochayuyo hingegen meist nicht. Ich habe mit in Ancud auf dem Fischmarkt frischen Cochayuyo gekauft. Dieser ist dann noch weich und man muss ihn nicht so lange kochen. Da der Seetang aus "Luftblasen" mit Hülle besteht, gibt man es Kleinkindern zum drauf rumkauen, wenn sie zahnen. Dann haben sie weniger Schmerzen und schreien nicht so.
Hier ist mein Rezept für 2 Personen bzw. für mich :-):
  1. Cochayuyo in Stücke schneiden, dabei aber nicht längs durch die Blasen schneiden, denn sonst schmeckt es nicht so gut
  2. Coochayuyo je nach Alter bzw. Härte 30 - 50 min Kochen
  3. 4 mehlig kochende Kartoffeln mit Schale in Salzwasser kochen, dabei auber die Kartoffelschale nicht anritzen; die Schale wird aufplatzen und man kann sie in einem Stück entfernen
  4. eine chilenische Zwiebeln (ca. 2 Deutsche, bzgl. der Größe siehe weiter unten) vierteln und würfeln; dreiviertel davon schön braun braten
  5. die Kartoffeln ohne Schale mit der Gabel zu einer Art Mehl zerdrücken
  6. die gebratenen Zwiebeln mit dem ungebratenen Viertel zusammen unter die Kartoffeln heben
  7. Die Kartoffelmischung mit Paprikapulver und etwas Oregano oder Basilikum würzen. Dabei aufpassen, dass man den Kartoffelgeschmack nicht übertüncht. Die Kartoffelmischung hat so keinen einheitlichen Geschack und die Zunge wird beim Essen immer wieder mit etwas Neuem überrascht werden und zudem wird nicht der Cochayuyo-Geschmack permanent übertüncht.
  8. Das Cochayuyo-Kochwasser weggießen und die Cochayuyo-Stücke auf dem Teller geben; dazu die Kartoffelmischung und als Beilage z.B. frisch Tomatenstücke
Mir schmeckt Cochayuyo übrigens ganz gut.
Meine Cochayuyo-Variante. Hurra ich kann doch noch kochen! :-)
 Es gibt natürlich noch viel, viel mehr Meeresfrüchte, wie z.B. Königskrabben, Krebse, von denen man nur die "Arme" ist und Loco. Letztes sind Seeschnecken und ich kann es besonders empfehlen. Es schmeckt wie Fleisch eines Landtieres und ist zart und mild zugleich.
Lachs gibt es in jedem Fischrestaurant, denn Chile ist wohl mittlerweile der größte Produzent von gezüchtetem Lachs weltweit. Und chilenischer Lachs schmeckt wirklich göttlich gut!

Weil die Frage der Größe der Früchte aufkam, hier die Erklärung: Chile ist geprägt vom Vulkanismus und ständig bricht irgendwo einer der über 1000 Vulkane aus. Vulkanasche ist einer der besten Dünger überhaupt und daher ist das Land extrem fruchtbar. Dazu kommt noch das für z.B. Zwiebeln bestens geeignete Klima. Pflanzt man eine chilenische Zwiebel in Deutschland ein, wird sie wohl deutlich kleiner wachsen. Viele andere Früchte sind hier auch viel größer als man es aus Europa kennt, z.B. Tomaten, Kartoffeln und Melonen und schecken dennoch hervorragend, also keine hochgezüchtete Holland-Sorte.

Größenvergleich Kürbis - Zwiebel, fotografiert in einem Markt in Chillán.

Dann gibt es noch die "dunkle Seite" der chilenischen Küche namens Fast-Food. Da man in Chile generell versucht den American way of live nachzuahmen, hat man die Ernährung diesbezüglich auch angepasst. In den nobelsten Shoppingmalls gibt es z.B. ganze Etagen mit FastFood Ständen. Die sind immer gut gefüllt, denn es ist ein Statussymbol sich einen Mäc zu leisten. Alle mir bekannten Mäc-Produkte kosten hier übrigens mehr als in Deutschland.
Daneben gibt es aber auch an jeder Ecke Läden und Stände die typisch chilenisches Fast-Food anbieten: Empanadas, Hot-Dogs, oder Hamburger mit Ave (kleingehäckseltes Hühnerfleisch), Churrasco oder Lomo. Als Saucen werden meist Mayo, Ketchup und Avocadocreme draufgegeben. Das heißt dann Italiano wegen der Farben der italienischen Flagge. Die Variante mit (mehr) Eiern, die man eigentlich zu allem dazu bestellen kann, nennt man "a lo pobre". Für Hamburger gibt es dann noch unzählige "Agregados", also Dinge wie Gemüse u.Ä., dass man sich noch zusätzlich drauflegen lassen kann. Das Ganze ist recht billig, z.B. kam der Riesenburger auf dem Bild nur 3,50 €, allerdings ist das Fleisch meist nicht das Beste. Diesen Burger z.B. hat Sandra nicht geschafft und ich wollte ihn fertig essen, aber das Fleisch war so widerlich (undefinierbare Konsistenz im Mund), dass ich es sein gelassen habe.
Dieser Hamburger ist so groß wie Sandras Kopf, war eben leider nicht sehr lecker.
Was allerdings ein nettes Fast-Food ist, ist Mote con Huesillos. Das sind aufgequollene Weizenkörner, die mit Pfirsichsirup übergossen werden. Dazu kommt noch eingetrockneter Pfirsich ins Glas und fertig ist die Köstlichkeit, die wirklich jeden Durst stillt. Es ist so nahrhaft, dass es für die ärmeren Leute eine volle Mahlzeit darstellt.
Ansonsten wird an überrascht sein, wenn man in Städten, die nicht direkt am Meer liegen, nach einem Restaurant fragt, denn man wird dann immer zu einem FastFood-Restaurant geschickt. "Richtige" Restaurants gibt es oft nicht, denn die sind zu teuer und dass können sich die Einheimischen nicht leisten.

Es gibt ansonsten noch jede Menge interessanter Früchte, deren Namen ich leider ständig vergesse. Hier ein paar, die mir einfallen: Guave, Berberitze, Papaya, Tamarillo
Statt Hühnereiern essen viele Leute Wachteleier, die man hier auch in jedem Supermarkt bekommt.

Zu trinken gibt es natürlich Wein. Das Bier hier ist meistens ein Lager und da ich nicht so ein Pils-Fan bin, schmeckt es mir hier gut. Meine Lieblingssorten sind Austral, Escudo, Cristal und Becker. Kunstmann schmeckt mir nicht so, da die meisten Sorten recht süß sind und es ist zudem viel zu teuer. Ich werde oft nach deutschen Biere gefragt. Wenn ich dann aber antworte, dass mir die tschechischen Lagerbiere am besten schmecken, gibt es lange Gesichter, da die Tschechei hier scheinbar unbekannt ist. Ich habe es mal versucht zu erklären wo das liegt, aber außer dem Namen Prag wussten man nichts damit anzufangen.
Terremotos hatte ich ja schonmal erklärt. Ansonsten ist das Nationalgetränk sicher der Pisco. Dazu passt Sergent Garcia - Nosotros queremos salir (Das flashige Intro kommt auf der Albumversion noch besser, aber die gibts wohl nicht Natz)

So, mehr fällt mir dazu nicht ein und als Feinschmecker bzw. gar Koch bin ich ja nicht gerade bekannt, gel Hardel?

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