Jan 29, 2011

Input, Input, Input

Das war die interessanteste Woche für mich. So viele neue Erlebnisse und Eindrücke, dass sie den Rahmen eines normalen Blogeintrags sprengen:
Der Spanischkurs ist zu Ende und ich denke, dass ich mit meinem Spanisch schon ganz gut durchkomme, auch wenn mein Wortschatz noch recht begrenzt ist. Als Abschlussevent waren wir im Garten des Palacio Cousiño und haben dort gepicknickt. Die Villa ist herrlich und war ihrer Zeit lange voraus: Chiles erste gasbetriebenen Lampen, erste Fußbodenheizung, erster Personenaufzug... Leider darf man wegen Einsturzgefahr nicht ins Gebäude, denn der Staat kann es sich nicht leisten alle alten Gebäude auf einmal zu sanieren, die das Erdbeben schwer beschädigt hat. Zum Picknick passt die Average white band - Pick up the pieces
Mit beim Picknick war eine Französin, die in Toulon Spanisch studiert und den fortgeschrittenen Spanischkurs mit Auszeichnung absolviert hat. Witzigerweise versteht auch sie die Ansagen in der Metro nicht. OK, es ist das letzte Mal, dass ich was über die Sprache schreibe, versprochen!: Man erkennt hier an der Aussprache sofort aus welcher sozialen Schicht die Leute kommen. Mal ein Beispiel: Ich sitze im Restaurant und der Ober sagt zu mir "a'ë'ia". Er wiederholt das dann auch ganz geduldig, nur was soll es bedeuten? Irgendwann wird mir dann klar, dass er vielleicht nach Getränken fragt, und so war es auch. "die Getränke" heißt eigentlich "las bebidas", aber das "s" wird von allen! grundsätzlich nicht gesprochen. Das "d" wird meist nur angedeutet, genauso wie das "b" innerhalb eines Wortes. Die ganz einfachen Leute lassen dazu auch noch  den Anfangsbuchstaben des Wortes weg, und so wird aus las bebidas eben a'ë'ia. Leider kann ich mich dadurch nicht mit den einfachen Leuten unterhalten. So war ich letztens in einer der riesigen Ladenhallen und unterhielt mich mit einem neugierigen Mädchen. Als dann dessen Vater dazu kam musste ich leider passen, denn ich konnte kein einziges (sic!) Wort verstehen. Dazu passt dann mehr oder weniger The Fatback Band - Do the Spanish hustle
Francisca zeigt mir netterweise die ganzen Geheimtipps und schönen Plätze der Stadt, die man als Tourist nie sehen würde. Jedes Stadtviertel ist anders, so kosten z.B.: das gleiche Lebensmittel in der gleichen Ladenkette im Süden und Westen der Stadt, nur 60% von dem, was ich in meinem Stadtteil bezahlen muss. Ansonsten gibt es noch innerhalb der Stadtteile riesige Unterschiede. So kostete gestern 0,33 l Bier 3,50 € und nur zwei Querstraßen weiter kostete ein ganzer Liter! Bier nur 3 €. Komischerweise war der billige Laden nur halb voll und im teuren hat man sich halbtot getreten. Status ist eben alles. Das mit den Schuhen vom vorletzten Eintrag ist auch so eine Sache: In einem Stadtteil gelten Sandalen bei Männern als schwuchtlig, in anderen dagegen als hip, solange die Marke der Sandalen stimmt. Warum das so ist kann mir leider keiner erklären. Dazu passt Chase & Status - Believe
Gestern hat die Koreanerin namens Yijoung aus dem Spanischkurs den Holländer aus dem Kurs und mich zum Mittagessen eingeladen. In Santiago gibt es nämlich ein koreanisches Viertel, indem man alles original aus Korea kaufen kann, sogar Wasser. Wir waren dort in einem Restaurant indem zwischen den Tischen Wände stehen, damit den anderen nicht beim Essen zuschauen kann. Es gab eine riesige Pfanne mit Hühnchen, Süßkartoffeln (mein erstes Mal!, kann ich nur empfehlen), eine Art "Reiswurst" und einem Haufen exotischer Gewürze und Beilagen. Dazu trinkt man satte 0,2 l eines Reisschnaps' mit 20 Umdrehungen. Der kratzt nicht im Hals und hilft gegen die Schärfe (sie hatte extra "nicht scharf" bestellt ud ich will nicht wissen wie scharf es normal ist). Es war sehr lecker und das Essen hat satte anderthalb Stunden gedauert. Man kann es übrigens nicht wirklich mit chinesischem oder japanischem Essen vergleichen. Anschließend haben wir sie zum Kaffee eingeladen, dass natürlich auch koreanisch war. Ich bin dann noch mit in ihr Geschäft gefahren: Sie verkauft mit ihrem Mann in einem kleinen Laden Sonnenbrillen. Eine "normale" Sonnenbrille kostet nur 40 Cent, eine mit Schliff 1,20 €. (Geht man in Santiago aber zum Optiker und lässt sich den Schliff individuell anpassen (Zylinder, unterschiedliche Stärke der beiden Augen), zahlt man mehr als in Deutschland!) Na jedenfalls war ich so mal wieder inmitten eines der riesigen Viertel indem sich tausende winzige Geschäfte aneinanderdrängen. Als ich erzählte, dass ich schon ein paar mal da war, waren die Leute entsetzt, denn angeblich wäre das sehr gefährlich, da es viele Diebe gibt. Aber man wird hier eigentlich nicht beraubt, so dass man keine Angst um seine Gesundheit haben muss. Stehlen ist das Hauptproblem und so haben einige Geschäfte seinen eigenen "Türsteher". Übrigens kann Yijoung nur Spanisch und Koreanisch, so dass ich mit ihr satte 7 Stunden nur Spanisch geredet habe und auch nicht im Notfall auf Englisch ausweichen konnte - es wird also langsam! Dazu passt logischerweise koreanische Musik, aber um eure europäischen Ohren nicht zu schockieren, gibt es Pizzicato Five - It is a beautiful day (auch wenn die aus Japan kommen)
Dank der Koreanerin habe ich jetzt endlich Magnesiumtabletten auftreiben können. Leider plagen mich weiter ständig Krämpfe. Gestern habe ich bemerkt, dass die ganzen Mineralwässer (und auch viele Speisen) damit werben, gar kein Natrium zu haben und auch in den Restaurants muss ich das Essen immer nachsalzen. Da ich aber am Tag 5 l natriumfreies Wasser durch mich durchlaufen lasse, wundert micht nichts mehr und ich salze jetzt alle meine Getränke mit Meersalz. Dazu passt Morcheeba - The Antidote (für mich eines der schönsten Duette)
Ansonsten war ich noch im Schwimmbad (habe noch nie so ein leeres Schwimmbecken gesehen, zumal Schulferien sind), habe eine professionelle Stadtführung bekommen, eine Vermieterin von Wohnungen kennengelernt, die sich gefreut hat mal wieder deutsch zu reden, da sie mal für ein Jahr in Heidelberg war. Mit ihr werde ich auch noch mal in die ärmeren Stadtviertel gehen, da sie da aufgewachsen ist und es mir zeigen möchte. Außerdem war ich privat eingeladen und habe einem potentiellem Physiker erklärt, wie die Unis in Deutschland funktionieren und was er im Physikstudium zu erwarten hat. Zudem war ich in der "Vega" einem riesigen Großmarkt indem hunderte Händler täglich frisches Obst und Gemüse verkaufen. Das war echt beeindruckend, denn ich habe noch nie solche riesigen Früchte gesehen (z.B. sind Zwiebeln hier mindestens dreimal so groß wie deutsche Zwiebeln). Außerdem ist alles frisch, man kann überall vor dem Kauf probieren und es kostet nur die Hälfte wie im Supermarkt. Dazu kommt noch das Ambiente, denn manche Händler machen gleich noch fertige Gerichte aus den Früchten und verkaufen diese. Viele Früchte hatte ich noch nie zuvor gesehen und habe natürlich fleißig ausprobiert. Mitten in den Früchteständen gibt es dann aber auch mal Stände mit Wurst, Fisch, Knöpfen oder auch Putzmitteln. Der Putzmittelverkäufer war übrigens mal für ein Jahr in Düsseldorf und ehe ich es mich versah, besitze ich jetzt ne Kleiderbürste :-). Leider habe ich meinen Fotoapparat vergessen, sodass ich keine Bilder von der Vega zeigen kann. Zu allem passt bei 30° und Sonne satt natürlich immer Painted Van - Summertime Bass
Die anderen keinen Anekdoten und Taten erspare ich jetzt eurem mittlerweile sicher ermüdetem Auge. Möge der freie Wille mit euch sein und macht im Zweifel immer das Richtige.

p.s. Wenn einer der Musiklinks in Europa gesperrt sein sollte, dann nutzt einfach die Google Videosuche und ihr werdet so bestimmt einen Link finden, der nicht gesperrt ist.

Erratum:. Der Hausgletscher von Santiago heißt "Plomo" (zu deutsch Blei) und nicht cerro Negro (cerro bedeutet Hügel, so dass mir hätte auffallen müssen.) Das zweite schöne "originale" Stadtviertel heißt "Yungay". Das Viertel "Paris-Londres" ist auch nett aber nicht original. Ich habe die Blogeinträge dementsprechend korrigiert.

2 comments:

  1. Was ist denn eine Reiswurst? Eine Wurst aus Reis? oder Reis aus Wurst?

    Gemüse 3mal so groß wie bei uns? Ich sag nur, Danke für die Gen-Menipulations-und-Schädlingsbekämpungsgesetze, EU. Aber das Bio-Engagement kommt auch schon nach LA. Im Lima gabs einen Wochen-Bio-Markt mit "normal"großen Früchten. Allerding war der auch preislich so gestaltet, dass sich da eher die Weißen unter den Peruanern rumtrieben.

    Und was macht man mit einer Kleiderbürste?

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  2. Warst Du jetzt in einem Kurs zur Ausbildung als Stadtführer? Das ist natürlich eine gute Option. So lassen sich gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen - intensives Kennenlernen der neuen Heimat, Zuverdienstoption für den Fall das Deutschland plötzlich von Millionen von frustrierten Ägyptern überrannt wird und die Chance ein paar nette Touristinnen kennenzulernen. ;-)

    Verfolgst du eigentlich die Welle des Umbruchs in der arabischen Welt? Da passiert echt ne Menge.

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