Apr 10, 2011

Abschied nehmen

Die letzten Tage habe ich damit verbracht, mit allen Leuten, die kennengelernt habe und die gerade in Santiago waren, ein paar Biere zu trinken. Mein Fazit über Chile ist ja nicht so rosig ausgefallen und so habe ich den Leuten meine Einträge gezeigt und sie nach ihren Erfahrungen gefragt. Und sowohl über Argentinien als auch Chile, ist das auch anderen passiert bzw. so aufgefallen. Nur die Geschichte mit der "bad DNA" hat Gelächter ausgelöst, denn so etwas ist wohl überhaupt nicht typisch. Da habe ich wohl besondere Idioten getroffen. Wir waren uns aber einig, dass den Chilenen der kulturelle Austausch fehlt (2000 km bis Bolivien und Peru und nur wenige Pässe nach Argentinien).
Sonnabend habe ich bis früh um 4 Uhr gefeiert und bin dann mit leichter Alkoholfahne um 8 Uhr zum Flughafen. Neben mir saß ein Geschäftsmann, der Lehrmittel für Schulen und Universitäten verkauft und daher schon fast überall auf der Welt war. So auch kurz vor dem Aufstand in Libyen. Es war daher ein super interessantes Gespräch fast die komplette 13 Stunden Flug. Und dann kam ich wieder hier zu Hause an und alles blüht und ein wunderbarer Frühlingsduft liegt in der Luft - traumhaft, vom Spätsommer direkt mit dem Frühling weiter machen zu können.

Die Reise war definitiv das Richtige nach dem Ausscheiden aus der Uni. Es hatte mich schon länger angefressen, dass ich außer ein paar kurzen Reisen durch Europa keine Auslandserfahrung habe, vor allem aber dass ich kein Erasmus-Semester gemacht habe. Dann musste ich auch noch feststellen, dass viele der Studenten in meinen Praktika mit 22 Jahren schon mehr von der Welt gesehen haben als ich. Also wurde es höchste Zeit für so eine Tour.
Von den nicht-studierenden Touristen, die ich getroffen habe, haben die meisten davon sogar ihren Job für ihre mehrmonatige Tour gekündigt. Wie ich finde, lohnt sich das auch, denn viele Dinge kann man als Rentner einfach nicht mehr machen und der Job ist ja nicht der Lebensinhalt. Die, die nicht gekündigt haben, haben ein einfach ein Sabbatical gemacht. Schade das es so etwas in Deutschland nur in wenigen Firmen gibt.
Ich war überrascht dass fast alle Israelis nach dem Wehrdienst mehrere Monate um die Welt reisen. Es war interessant sich mit ihnen zu unterhalten, da sie eine ganz andere Sicht auf die Welt haben. So habe ich z.B. mit zwei Mädels lange über Armee gesprochen. Ich hatte damals zwar eine interessante aber eben auch keine prickelnde Zeit und bin kein Fan davon, aber die Mädels waren davon begeistert. In der israelischen Armee gibt es wohl auch kein Schickanierereien von Untergebenen wie zu meiner Zeit. Überhaupt habe ich viele interessante Leute getroffen. Z.B. viele US-Amerikaner, die immer von mir wissen wollten, wie es wirtschaftlich in Deutschland aussieht. Erstaunlich, aber das war oft eine der ersten Fragen an mich. Die größte Gruppe an Leuten, die ich traf, waren aber Franzosen gefolgt von Schweizern.
Für mich habe ich festgestellt, dass das Reisen in großen Gruppen nichts für mich ist. Ich kann mich doch zu wenig der Masse und vor allem den durchgeplanten Terminen/Zeiten anpassen. Die Reise mit dem Mädels durch den Süden Chiles war ganz unterhaltsam, aber 3 Leute ist irgendwie eine unpassende Größe. Am besten ist es eben doch zu zweit. Allein zu reisen hat aber den Vorteil, dass man die Länder intensiver kennenlernt, da man tagelang nicht seine Muttersprache reden kann und auch von den Leuten eher eingeladen bzw. angesprochen wird. Ansonsten bin ich für einige Dinge schon zu alt. Das Party-Hosteling ist z.B. nichts mehr für mich und bei meinen wenigen Discosbesuchen habe ich den Altersschnitt deutlich gehoben. Auch komme ich mit Übernachtungen in Schlafsälen nicht gut zurecht. Auf einer Berghütte habe ich keine Probleme damit, aber in Hostels muss man immer aufpassen, das einem keiner etwas klaut und man hat doch nie seine Ruhe und kann durch schlafen.
Mein Highlight war ganz sicher Bolivien. Ich wäre so gerne noch länger dort geblieben. Sportlich war der Höhepunkt die Tour vom La Cumbre-Pass mit dem Fahrrad bis zum Beginn der "Death Road". Auf über 4000 m mit dem Fahrrad über Gräben zu springen und Bäche zu durchfahren, war einfach toll.
Körperlich am meisten hat mich die Tour auf den Cerro Rico geschafft. Über Geröllhalden auf Mont Blanc-Niveau zu kraxeln, ging ganz schön auf die Pumpe.
Landschaftlich fand ich die Death Road als auch den Salar de Uyuni am besten. Aber diesbezüglich habe ich sehr, sehr viele schöne Sachen gesehen.
Architektonisch fand ich die Stadt Sucre am schönsten.
Musikalisch war interessant, dass die angesagte einheimische Musik Boliviens und Argentiniens im 6/8-Takt ist. In Bolivien oft monoton (und mit harten elektronischen Beats). In Chile konnte ich keine einheimische Musik ausmachen, denn sowohl in den Discos, Bars, Hotels und Radios laufen internationale Klassiker. In Bolivien waren zudem europäische Hits der Neunziger Mega-angesagt. Die hatten da in jedem Taxi echt super coole Mixe laufen. Ich hätte die kaufen sollen! Hach was sind wir im Bus von Corioco wieder zurück nach La Paz zu so Sachen wie Dr. Alban - It's my life abgegangen! (Die Textzeile "Stop telling people how to run your business. Take a trip to east and west you find that you don't know anything." passt.)
Dass ich mit den Chilenen nicht gut klar gekommen bin, war rückblickend gar nicht so schlimm, denn dafür lief es in den anderen Ländern um so besser. Außerdem reist man ja, um Kulturen kennenzulernen, die nicht so wie in Deutschland sind und nicht alles kann einem zusagen.
Ansonsten bin ich Stolz auf meinen Körper. Er hat so viele Temperatur- und Klimawechsel ohne Probleme mitgemacht. So bin ich ja z.B. direkt von Meeresniveau auf 4000 m raufgeflogen, habe in Tupiza bei fast 30 °C in extrem trockener Luft geschwitzt und nur 3 Tage später lag ich in Potosí bei 5 °C in nasskalter Luft mit aufgesetzter Wollmütze im Schlafsack. Beim Aufstieg auf den Cerro Rico, bin ich unten im Anorak losgelaufen, dann kam die Sonne raus und es war so heiß, dass ich nur im T-Shirt gelaufen bin. Am Gipfel brauchte ich dann wieder ein Unterhemd, T-Shirt, Fleece und den Anorak sowie die Wollmütze, da es so kalt und windig war.
Jetzt kann ich es ja zugeben: Ich liebe es nun mal Dinge auszuprobieren und so habe ich trotz aller Warnungen an den Straßenständen alles Erdenkliche an Essen und Trinken ausprobiert. Witzigerweise bin ich nach dem Tag mit dem teuersten Restaurantessen krank geworden. Das war auch das einzige Mal in 3 Monaten.
Mein Spanisch ist weiterhin sehr lückenhaft. Ich kann immer noch keinen Zeitungsartikel ohne Wörterbuch komplett durchlesen. Ich verstehe den Inhalt aber trotzdem, wenn auch manchmal nur grob. Sprechen klappt je nach Tagesform mal sehr schlecht, mal so gut, dass ich selbst überrascht bin. In Bolivien konnte ich bei Gesprächen mit den Leuten an die 90% der gesagten Wörter verstehen, in Argentinien je nach Dialekt 70 - 90%, in Chile aber nur 50%. Ich kann mich in die Aussprache Chiles einfach nicht einhören. Die Argentinischen "sch"-Laute haben mir anfangs Probleme bereitet, aber nach 4 Tagen fing ich selbst an so zu reden.
Spanisch zu lernen war eine gute Entscheidung, denn zu Reisen, ohne sich mit den Leuten unterhalten zu können, macht einfach nicht so viel Spaß. Was erstaunlich ist, ist wie wenig die Leute über die Sprachvariationen der Nachbarländer wissen. Z.B. benutzt man in Chile für "ausleihen" das Verb "arrendar", in Argentinien aber "alquilar". OK, aber die Leute in Argentinien wussten nicht, was ich von denen will, als ich arrendar benutzte, mir fiel aber auch nicht mehr ein, dass es noch alquilar gibt. So musste ich auf Englisch ausweichen und es stellte sich heraus, dass die "arrendar" noch nie! vorher gehört hatten. Solche Situationen hatte ich öfters. Das verwundert mich, denn ich kenne ja auch die Besonderheiten von Österreich, der Schweiz und den deutschen Mundarten.
Als wichtige Sache ist mir noch die Sonne aufgefallen. Sonnenschein führt bei mir zu einem angenehmen Lebensgefühl. In Deutschland zieht es mich oft runter, wenn eine Woche keine Sonne zu sehen ist, hier aber hatte ich nie solche Probleme. Ich bin ja ein Morgenmuffel, aber hier ertappte ich mich jeden Tag aufs Neue, dass ich gut gelaunt aus dem Bett springe. Ich weiß auch nicht wieso, aber trotz des nicht immer angenehmen allein Reisens, war ich doch meist guter Dinge. Kaltes oder warmes Wetter, trockene oder nasse Luft waren fürs Wohlbefinden nicht so wichtig, solange nur die Sonne geschienen hat. Alles in Allem habe ich quasi die 3 Monate Dauersommer daher sehr genossen.
Mir gefällt die Stadt Santiago sehr gut: 3000 Meter hohe Berge direkt am Stadtrand, daher Fahrrad-, Wander- und Skimöglichkeiten, in einer Stunde ist man am Strand, es gibt viele wunderschöne Parks, Wochenendausflugmöglichkeiten nach Argentinien, angenehmes Klima und Sonne satt. Nur mit den Leuten hier komme ich leider nicht so gut klar und mit dem Unterschied arm-reich habe ich auch so meine Probleme.
Interessant war es auch immer, die Zeitung zu lesen. Man versteht dann viel besser warum die Dinge um einen herum so sind, worum es beim Streik geht, warum die Straße gesperrt ist, warum an einem Tag keine Busse fahren, usw..
Es hat mir viel Spaß gemacht zu lernen, wie die Leute in den einzelnen Ländern ticken, was ihnen wichtig ist, wie die Politik abläuft und die Gesellschaft aufgebaut ist. Es gibt so viele verschiedene Lebenseinstellungen und bisher kannte ich nur die europäischen.
Schlussendlich war es mir wichtig, dass meine Touren immer eine Mischung aus Kultur, Gesellschaft und Natur sind. Ich traf Leute, die z.B. ausschließlich Natur machen, andere verlassen so gut wie nie die Städte für eine Tour durchs Gelände. Manche machen nur Party. Mit der gesunden Mischung aus alledem bin ich gut gefahren.

Alles in Allem eine tolle Reise an die ich mich sicher noch oft erinnern werde!

Zum Blog: Ich war Anfangs ja nicht so begeistert davon, einen Blog zu schreiben, aber es hat dann doch sehr viel Spaß gemacht. Weil die Frage in einem Kommentar kam: Nein, ich denke nicht, dass sich meine Gedanken viele Leute durchlesen. Und die die es tun, denken vielleicht, dass ich verkopft bin. Aber einfach nur Bilder knipsen und hochladen hätte nicht meine Eindrücke widergespiegelt und war mir auch zu wenig.

Zum Abschluss möchte ich mich bei allen bedanken, die mir Kommentare geschrieben haben und mit denen ich Email-Kontakt hatte. Die positiven Rückmeldungen haben sehr gut getan und Kraft gegeben. Vielen, vielen Dank auch nochmal an Gabriela für ihre Unterstützung in Santiago.

Ab jetzt  gilt: The time is now

1 comment:

  1. Der Job ist nicht der Lebensinhalt ??? na aber!!! ist aber eine komische Auffassung- ohne Job kein Geld logo?Job ist auch eine Bestätigung, denn wozu studiert man denn sonst - sehr eigenartig Deine Auffassung.
    Berthold aus Österreich

    ReplyDelete