Zum Abschluss meiner Reise erlaube ich mir noch ein paar tiefere Einblicke in die Gesellschaft Chiles als auch allgemeine Sachen wie Korruption und Reise-Tipps.
Zu Anfang geht es um die Gesellschaft Chiles. Diese ist extrem in Schichten gegliedert, die sich untereinander wenig austauschen und deren Einkommen sich stark unterscheidet.
Die Mehrheit bekommt, wie schon im Blogeintrag vom 25. 3. angesprochen, ein Gehalt von 250 - 500 € und kann sich keine Uni-Ausbildung leisten. Viele davon leben in der Stadt Santiago in so genannten Poblaciones. Das sind ein- bis dreistöckige Häuser, die der Staat baut und die Wohnungen an die Leute billig weiterverkauft. Meist wohnen dort 5 Leute in einem Raum. Es ist so eng, dass viele illegal mit wilden Konstruktionen Räume anbauen. (Diese Anbauten sind aber nicht erdbebensicher.) Diese Schicht macht meist Handlangerjobs, (siehe den schon erwähnten Blogeintrag).
Die Oberschicht hat studiert und verdient 3000 € und mehr (5000 € sind z.B. in der Bergbaubranche keine Seltenheit.) Mit diesem Gehalt leistet man sich schöne Wohnungen in Gegenden, in denen man unter sich ist. Man separiert sich von den unteren Schichten und gibt dafür auch gerne mehr Geld aus. So sind die gleichen Waren in den Supermärkten der reichen Gegenden teils deutlich teurer als anderswo in der Stadt. Da die Kluft zwischen arm und reich wohl nur in Brasilien größer (4 % der chilenischen Bevölkerung beitzen 80% des chilenischen Vermögens), ist Sicherheit ein wichtiges Thema. Daher müssen die Reichen auch in "Gefängnissen" leben. So sind viele Wohnviertel von 3 Meter hohen Elektrozäunen umgeben und es gibt Wachleute, die bewaffnet am Eingang des Distrikts jedes Fahrzeug kontrollieren. Die Kinder werden auf Schulen geschickt, die ebenfalls Hochsicherheitstrakten gleichen. Einfach auf der Straße spielen können sie auch nicht, denn die Gefahr ist zu groß, dass sie ausgeraubt oder gekidnappt werden. (Mir tun die Kinder leid, die Freiheit als ein Leben hinter Elektrozäunen erlernen.)
Wer den extremen Unterschied zwischen arm und reich hier mal sehen möchte, sollte mal die Straße Hernán Cortés von der Metrostation Los Presidentes aus entlang laufen. Man kommt zuerst an dörflichen Häusern vorbei, dann ist man plötzlich mitten in einer Poblacion, in der sich das Leben auf der Straße abspielt und in der man von den Leuten kritisch beäugt wird. (Ja, da hatte ich auch etwas Angst, da eine Straßenhändlerin auf einmal so etwas wie Wegezoll haben wollte.) Dann kommt ein Schulgebäude und direkt danach sind Villen mit schickem Auto, Garage, kleinem Garten mit Schaukel, Pool und Kinderrutsche. Aber eben umgeben vom Elektrozaun.
Eine Mittelschicht gibt es natürlich auch, allerdings stellt die nicht die Mehrheit, wie in europäischen Ländern. Die Mittelschicht gliedert sich wiederum auf. Ausschlaggebend ist dabei der Besitz und Statussymbole. Es fällt auf, dass die Chilenen viel Geld, oft auf Pump, für Statussymbole wie ein I-Phone ausgeben.
Ich habe mich oft mit Leuten verschiedener Schichten unterhalten und war immer wieder überrascht, wie wenig man voneinander weiß. Folgende Aussagen sind natürlich nicht für alle Leute gültig, aber zumindest in meiner Wahrnehmung, für sehr viele: Die Ärmeren Leute halten nicht viel von den, in ihren Augen, arroganten Reichen und die Reichen behandeln die Ärmeren oft recht herabschätzend. So waren viele Oberschicht-Santiagoer noch nie in den Geschäften am Hauptbahnhof, weil das zu gefährlich wäre (was es zumindest tagsüber definitiv nicht ist und nachts haben die Geschäfte nicht auf) und weil da ja nur die einfachen Leute einkaufen gehen. Wenn ich erzähle wo ich Abends weg war, haben die Leute oft die Nase gerümpft, dass dort ja nur der Plebs hingeht. Und so gehen die Reicheren lieber in Bars, wo das Bier 3 € und mehr kostet, denn da ist man unter sich, da sich das der Plebs nicht leisten kann.
Auch wenn ich hier ein Tabu breche, aber Rassismus ist ein weiteres Problem. So haben sich z.B. asiatische Händler am Hauptbahnhof darüber bei mir beklagt. Die Chilenen haben generell ein etwas angespanntes Verhältnis zu Ausländern, was ich ja selbst erlebt habe. Bei mir waren es Jugendliche, die mich im Bus oder auf der Straße bedrängt und bepöbelt haben, aber auch die Erwachsenen murmeln schnell mal etwas vom blöden Gringo daher. Der Unterschied zwischen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus ist nicht groß, da Ausländer eben so anders sind wie andere Volksgruppen innerhalb eines Landes. Aber auch allgemein bemerkt man latenten Rassismus. So gilt dunkle Haut als "feo" (hässlich) und das wird so auch gesagt. Die Leute mit dunklerer Haut können aber auch die "Weißen" nicht leiden, denn die Weißen sind zu 90 % die Reichen und die Dunkelhäutigeren die Armen. Man muss sich nur umschauen, wer die Putzkräfte und Eisverkäufer sind, dann wird das offensichtlich. Wer im "falschen" Stadtteil wohnt, wird bei Bewerbungen oft benachteiligt. Dies haben mir mehrere Leute erzählt.
Ich will die chilenische Gesellschaft nicht schlecht reden, aber dieser extreme Unterschied zwischen arm und reich ist doch sehr bedenklich und wird in meinen Augen durch das Bildungssystem auf absehbare Zeit so bestehen bleiben.
Relativierend sei gesagt, dass es Ausländerfeindlichkeit bei uns in der selben Form, wie ich sie hier erlebt habe, auch gibt. Und in vielen Ländern der Erde ist es ähnlich, vielleicht weil es irgendwie menschlich ist. (Das ist deswegen natürlich trotzdem zu bekämpfen, denn Kriege sind auch menschlich, aber trotzdem nicht erstrebenswert.) Rassismus habe ich in Bolivien auch erlebt und Touristen, die ich traf, bemerkten Rassismus auch in Brasilien und Peru.
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