Mar 25, 2011

Chile und das Geld

Erst einmal vielen Dank an alle, die einen Kommentar hinterlassen! So weiß ich, dass jemand diesen Blog überhaupt liest.

Zurück in Chile, widme ich mich mal dem Geld, denn nur so kann man sich vorstellen wie das Land funktioniert.
Chiles Landeswährung ist der Peso (P.). Aktuell bekommt man für einen Euro 675 P.. Damit will ich nun ein bisschen Rechnen, damit man versteht wie das Land so funktioniert: Der Durchschnittslohn liegt so bei ca. 350 000 P., also knapp über 500 €. Der Mindestlohn bei 160 000 P. Aber was kostet das Leben? Eine Fahrt mit der Metro kostet 640 P., Es gibt hier keine Monatskarten o. Ä., so dass man also allein für den Transport (hin- und zurück zur Arbeit) im Monat 60 € ausgeben muss. Lebensmittel sind hier etwas teurer als in Deutschland, Fleisch und Käse kosten aber besonders viel. Keiner kann mir erklären warum das so ist, denn die Böden sind sehr fruchtbar und in den Anbauregionen selbst kostet es sogar noch mehr als in Santiago. Z.B. kostet hier im Supermarkt die billigste Käsesorte 18 €/kg, die billigste Sorte Salami 13,50 €/kg. Außerdem werden aus unerfindlichen Gründen viele Lebensmittel aus Europa importiert. Hier mach ein Suchbild; wie viele deutsche Produkte findet ihr?
Suchbild, aufgenommen in einem Supermarkt in Chillán.

Selbst viele andere, in Chile hergestellte Produkte, sind unerklärlich teuer. So kostet Sonnencreme mit LSF 50 hier knapp 8 €, in Bolivien habe ich für genau die gleiche Creme aber nur 2,60 € bezahlt, und da sind die Transportkosten nach Bolivien ja schon mit drin.
Was aber richtig teuer ist, ist Bildung. Die staatlichen Schulen sind nach Aussage wirklich aller Leute sehr schlecht, so dass man sich krumm legt, um die Kinder in eine private oder semi-staatliche Schule zu schicken. Das kostet dann je nach Schule um die 160 000 - 240 000 P. pro Monat, dazu kommen noch 70 000 - 90 000 P. für die Schulspeisung. Einen Monat auf einer guten Universität kosten ca. 250 000 - 320 000 P. Das heißt, dass der Durchschnittslohn noch nicht einmal für die Uni eines Kindes reicht, denn der Rest der Familie muss ja auch noch ernährt werden. Daher leben hier fast alle auf Pump. Das erkennt man schon allein durch die extreme Anzahl an Banken. So findet man an fast jedem Platz mehrere. Dazu ein Suchbild, aufgenommen in Santiago:
Man sieht 5 Banken: v.l.n.r.: Scotiabank, BBVA, Banco Security (Tochterbank der Santander), Banco de Chile und Santander. Mittig im Bild hinter dem Baum befindet sich noch das Büro der Bank Itaú.
Die vielen Bankmitarbeiter müssen aber bezahlt werden und zudem ist jede Filiale gut besucht. Das funktioniert nur, weil viele häufig Kredite aufnehmen, oder mit der Bank verhandeln müssen. In einem Laden hat sich vor mir einer ein Hemd gekauft für 18 000 und hat dafür so eine Art Kleinkredit aufgenommen, den er erst in 3 Monaten voll bezahlen muss. Das Leben auf Pump und die vielen Bankfilialen erinnert mich sehr an Portugal und hier wird es höchstwahrscheinlich auch über kurz oder lang ernste finanzielle Probleme geben. Dazu passt Flowin Immo - Das Gift heisst Geld.
Wie man an den Preisen für Bildung sieht, kann man ein zweiter Einstein sein, aber wenn die Familie arm ist, hat man keine Chance etwas zu werden, weil man die  Ausbildung nicht bezahlen kann. Obwohl so gut wie jeder mir von diesem Problem erzählt, sind manche sogar stolz auf dieses System. Leider wird dagegen zu wenig getan, so verdient ein Metrofahrer mehr als ein Lehrer an einer staatlichen Schule. Was werden also die guten Lehrer machen?
Übrigens kann hier jeder seine eigene Universität aufmachen, und so sind die Zeitungen, Metros und Busse voll mit Werbungen für Universitäten aller Art, die dann meist gleich 10 Studiengänge anbieten, aber nur aus ein, zwei Gebäuden bestehen. Die Qualität der Abschlüsse ist daher sehr unterschiedlich bzw. ein einheitliches Niveau existiert nicht und so kommt es sehr auf den Ruf der Uni an, ob man danach auch einen Job bekommt. Daher wird man, wenn man reiche Eltern hat, auch mit großer Sicherheit reich bleiben, da man die Abschlüsse machen kann, die ein gutes Gehalt bringen. Der Staat hat sich in der Pinochet-Zeit nicht nur aus der Bildung zurückgezogen sondern generell aus vielen Bereichen des Lebens wie z.B. Krankenhäuser, Nahverkehr, Rentenversicherung usw. (siehe dazu den beeindruckenden Artikel über die Chicago Boys). Seit einigen Jahren greift man als Staat jedoch wieder etwas stärker ein.
Es fällt überall auf, dass es ein riesiges Heer von Leuten gibt, die "Sinnlosjobs" machen, putzen oder bewachen. Allein auf diesem Bild sieht man 3 Leute an einer Haltestelle, die nur kontrollieren, dass ich meine Chipkarte richtig an das Lesegerät halte. Wenn die Feierabend haben, werden die Lesegeräte abmontiert, denn im Bus ist ja eh immer ein Lesegerät, an das man die Karte sowieso halten muss.
3 "Aufpasser" an den Bushaltestellen. Die gelben Dinger am Eingang sind die Lesegeräte. "bip!" heißt die Karte, mit der man hier Bus und Bahn bezahlt.
An jeder Metrostation sitzen ca. 4 Leute im Fahrkartenverkauf, bis zu 6 passen, je nach Tageszeit, auf, dass man nicht zu nah an den Bahnsteig geht, ca. 4 Leute sind Wachleute und 4 putzen permanent die Station. Weiterhin stehen meist 2 Leute mit Fahnen auf dem Rücken rum, bei denen man sein Handy aufladen kann. 2 machen im Schnitt Promotion für irgend welche neuen Produkte. Im Supermarkt gibt es an jeder Kasse jemanden, der die Sachen in eine Tüte packt und dafür bezahlt werden will. Zudem gibt es im Supermarkt zwei Wachmänner mit Pistole. In normalen Läden wie z.B. einer Reiseagentur gibt es auch sehr oft einen Wachmann. Wenn man Brot oder Früchte kauft, muss man die Sachen erst von einer Person wiegen lassen, ehe man zur Kasse darf. Diese Person tippt dann also für mich z.B. die Nummer 99 für Bananen ein und drückt auf Drucken des Etiketts, das ist ihr ganzer Job. An vielen Plätzen verkaufen Leute auf der Straße auf Decken Dinge, die die Welt nicht braucht, jonglieren bei Rotphasen an der Ampel mit Bällen, oder rennen durch die Busse und versuchen Eis oder Zeitungen zu verkaufen. Die Parks sind voll von Leuten, die dort ständig putzen oder die Pflanzen pflegen. Eine Putzfrau hat mir erzählt, dass sie 100 000 Rente bekommt - nach 40 Jahren Arbeit. Also muss sie weiterarbeiten.
Die Überbevölkerung habe ich in diesem Blogeintrag schon mal angesprochen. Sie verhindert eigentlich echte Lösungen, denn man kann sich einfach nicht um immer mehr Leute kümmern. Mich erinnert das Ganze an die 20/30er Jahre in Deutschland.
Auf Grund der sehr großen sozialen Unterschiede, ist Diebstahl ein Riesenproblem. Daher schotten sich die Besserverdienenden auch in Wohnblocks mit Elektrozaun ab, schicken ihre Kinder auf Schulen die von 3 Meter hohen Mauern umgeben sind und deren Eingang von Wachleuten mit MP bewacht werden. Auch in den Mittelschichtsgegenden hat jedes! Haus einen Concierge, der den ganzen Tag am Eingang sitzt, und ab und an den Rasen sprengt. Da man dafür nur den Mindestlohn bekommt, haben einige gleich zwei solcher Jobs, arbeiten dann also manchmal 16 Stunden am Tag und natürlich auch am Wochenende. Einer der Concierges des Hauses, in dem ich hier wohne, zeigte mir neulich sein Uni-Diplom als Ingenieur. Vormittags arbeitet er als Concierge und Nachmittags als AutoCAD-Konstrukteur.
Hat man auf einer guten Uni einen Abschluss gemacht, verdient man jedoch ordentlich. Ein 30 Jahre alter Mann erzählte mir, dass er als Ökonom 2,2 Mio. P. bekommt (ca. 3400 €). Damit kann man hier sehr gut leben. Zu Santiago ist zu sagen, dass man anhand des Stadtteils, in dem jemand wohnt, schon gut einschätzen kann, wie viel Geld er hat. Die Top-Stadtteile liegen im Osten an den Bergen und heißen Lo Barnechea, Vitacura und Las Condes. In diesen Stadtteilen ist wirklich heile Welt mit wunderschönen Parks, sauberen Straßen und Ruhe. In Lo Barnechea gibt es z.B. Häuser, die bei uns als Schlösser durchgehen würden. Im Süden und Westen, wie z. B. in La Pintana wohnen die armen Leute. Das historische Stadtzentrum ist nicht mehr das Hauptzentrum des gesellschaftlichen Lebens. So finden sich dort keine großen Geschäfte. Will man große Auswahl wie z.B. einen guten Buchladen, fährt man in eine Shoppingmall in die reichen Bezirke. In diesen Stadtteilen gibt es auch die richtig guten Restaurants, Reisebüros, Kaufhäuser, Theater, usw..
Das Reisen ist nur wenig billiger als in Deutschland. Die Busse sind sehr gut, kosten aber eben auch dementsprechend. Hotels sind so teuer wie in Deutschland, nur die Hostels (oft mit Mehrbettzimmern) sind billiger. Inlandsflüge kosten mehr oder weniger dasselbe wie in Europa.
Elektrogeräte aller Art sind teurer als in Deutschland, denn alles muss über den Pazifik gefahren werden, da kaum etwas hier produziert wird und der Markt einfach viel kleiner ist. Aber auch Bücher sind erstaunlich teuer und so erzählten mir einige, dass sie ihre Bücher in Argentinien einkaufen.

1 comment:

  1. Hallo Uwe!
    Ein Gruß aus Freiburg ruft Dich in die Realität zurück.
    Die alten Säcke fahren wieder! vom 30.06 bis 05.07.
    MIT DABEI??

    Gruß:
    Ulrich

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