Mar 24, 2011

Die Stadt und der Berg

Ich hatte mich lange gestäubt nach Potosí zu fahren, da ich Katastrophentourismus nicht mag. (Olli, ich habe immer noch deine schrecklichen Bilder deines Besuchs dort vor Augen.) Nun liegt Potosí aber auf dem Weg von Sucre zurück nach La Paz also bin ich da für eine Nacht geblieben.
Potosí war um 1625 eine der größten Städte der Welt, hatte mit ca. 160 000 Einwohnern mehr als zu der Zeit Madrid oder London, ja sogar Florenz. Und das nur wegen eines alten Vulkans, der sich auf ca. 4800 Meter erhebt - der Cerro Rico (reicher Berg). Dieser Berg war die ergiebigste Silberlagerstätte, die damals bekannt war und so hat man im rauen Klima des Altiplano am Fuße des Cerro Rico auf 4050 Metern Höhe Potosí gegründet.
Sonnabend Nachmittag bin ich in die Moneda gegangen. Moneda bedeutet Münzstätte, denn in diesem riesigen Haus wurde das Silber, dass man gefördert hat, direkt vor Ort in Münzen für den spanischen König geprägt. Die Muli-betriebenen Prägemaschinen von 1755 sind noch komplett erhalten, so wie auch alle anderen Anlagen. Außerdem gibt es eine riesige Mineraliensammlung, Mumien und vieles mehr zu sehen. Kurzum, das beeindruckendste Museum, in dem ich auf meiner Reise war.
Die Nacht auf Sonntag war bitterkalt, so habe ich im Schlafsack mit Wintermütze geschlafen. Ich will nicht wissen, wie kalt es erst im Winter ist.
Für Sonntag habe ich dann eine Bergwerkstour gebucht aber gleich vereinbart, dass ich nicht in den Berg gehen werde. Los ging es auf den Markt, auf dem man alles kaufen kann, was man als Bergmann so braucht, von Spaten bis zu Sprengstoff. Die Idee vieler Agenturen ist es, dass man als Tourist dort Dinge kauft und es dann den Bergmännern als Geschenk mitbringt. Dies habe ich aber verweigert und so begann eine anderthalbstündige, sehr sehr gute Diskussion mit unserem Guide, der selbst mal Bergmann war. Das Problem ist, dass die Bergmänner keinerlei Ausbildung haben und auch auf Sicherheit keinen Wert legen. So nimmt man immer noch Dynamit zum Sprengen. Gezündet wird mit einer Zündschnur, die ca. 45 Sekunden lang brennt; die Stollen sind aber nicht so hoch, dass man darin weg rennen könnte. Gegen den Explosionsknall schützen sie sich gar nicht, denn Kopfhörer kosten ja Geld. Als ich ihm erklärte, dass man in anderen Bergwerken Sprengstoff benutzt, der durch einen elektrischen Impuls gezündet wird, war er verdutzt. Man kann so ja ein langes Kabel legen, dass man nicht weg rennen muss. Solchen Sprengstoff gibt es aber nicht auf dem Markt zu kaufen.
Dies wohl aus gutem Grund, denn es gibt keine Pläne der Gänge im Berg und größere Sprengungen könnten den Berg zum Einsturz bringen. Dazu kommt noch, dass der Bergbau in Syndikaten erfolgt, die Syndikate aber nicht wissen, was die Bergleute des Nachbarsyndikats gerade machen. Gegen den Staub schützen sich die Bergleute auch nicht, obwohl ein billiger Mundschutz gerade mal ein paar Cent kostet und die Touristen Mundschutz tragen. Der Guide meinte, dass viele Bergleute einfach nur den aktuellen Profit sehen, da sie ihre meist sieben - zehnköpfigen Familien ernähren müssen. Viele bekommen aber schon mit 35 - 40 Jahren Probleme und sind Invalide. Dadurch müssen dann ihre Kinder ran. So fing unser Guide mit 13 Jahren im Berg an, weil sein Vater im Berg umgekommen war. Daher hat er auch keine Ausbildung und kennt nur das, was es auf dem Markt zu kaufen gibt. Laut seiner Aussage starben letztes Jahr 26 Leute im Berg und die Zahl der Schwerverletzten wird noch höher sein.
Weiter ging es dann zur chemischen Auftrennung des Gesteins. Das Gestein wird erst mechanisch zerkleinert, dann chemisch getrennt (leider konnte man mir nicht erklären wie genau) und dann im Flotationsverfahren getrennt. Für die Chemie verwendet man Zyanide, die hoch krebserregend sind. Das Haus in dem das geschieht ist eine Bretterbude und das Zyanidbad spritzt fröhlich umher. Gummihandschuhe oder Schutzbrillen trägt aber natürlich keiner, denn die wissen gar nicht um die Gefahr. So wird der Abraum auch einfach in einen Fluss geschüttet. Am Unterlauf des Flüssen verseucht das Zyanid aber das Trinkwasser. Dessen sind sie sich zum Glück seit ein paar Jahren bewusst und man arbeitet von staatlicher Seite nun an einer Lösung. Das abgeschiedene Silber?? wird erst in Europa zu reinem Silber weiterverarbeitet.
Dann ging es für meine Gruppe (4 zierliche Argentinierinnen) in den Berg. Ich bin dagegen auf den Berg gestiegen. Der Guide überzeugte mich, dass es besser wäre Coca zu kauen, wegen der Höhe. Und so habe ich mir zeigen lassen, wie man Coca kaut. Der Geschmack im Mund ist viel intensiver als beim Coca-Tee, aber ich habe trotzdem nichts spüren können. Man nimmt es ja, weil man dadurch mehr Kraft in der Höhe hat und weniger Hunger, aber ich war danach trotzdem total fertig und sehr hungrig. Der Aufstieg auf den Cerro Rico ist oben recht schwierig, da man sich in den Geröllhalden gut konzentrieren muss, die Höhe aber echt schlaucht. Tja und oben gab es keinen Gipfel! Der ist nämlich kürzlich eingestürzt und jetzt klafft da ein immens tiefer Krater. Der Abstieg war viel schwieriger, da ich auf der anderen Flanke des Berges runter wollte. Doch auf einmal ging es nicht richtig weiter, da die ganze Bergflanke weggerutscht war. Mitten im Kraxeln über dieses riesige Geröllfeld, sprangen mich auch noch zwei Hunde an. Keine Ahnung wo die herkamen, und ich konnte ja auch nicht umkehren. Also habe ich mir ein Herz genommen und mit dem Fuß ein paar Steine losgetreten. Dadurch sind sie kurz zurückgewichen und ich bin das Geröllfeld hinuter gesprungen, und die Hunde zum Glück nicht hinterher. Dann kam auch noch unerwartet, wie aus dem Nichts, ein Gewitter auf. Aber wie durch ein Wunder blieb es in ca. 10 km Luftlinie Entfernung hängen. So war die Hälfte der Stadt unter mir im Regen, in der anderen Hälfte schien die Sonne - ein toller Anblick.
Der Guide meinte, dass es der Vorteil der Syndikate sei, dass so der Berg geschont würde, denn eine kommerzielle Firma würde ihn einfach abbaggern. Aber da macht er sich etwas vor, denn bis 50 Meter unterhalb des Gipfels ist nur noch Geröll vom Bergbau, es fehlen bereits 15 - 30 Meter Berg an den Flanken, überall sind tiefe Löcher und Furchen von eingestürzten Gängen und am Fuß des Berges gibt es einen Tagebau. Ich habe noch nie so ein kaputtes Gebilde gesehen, das man Berg nennt! Nebenbei habe ich aber meinen Höhenrekord von der Fahrradtour von 4650 m auf 4800 m hochgeschraubt.
Am späten Nachmittag habe ich dann noch den Umzug des letzten Blogeintrags gesehen.
Nach La Paz habe ich mir einen Luxus-Schlafbus gegönnt. In La Paz war ich am letzten Tag noch auf der Stadtrundfahrt in den Süden der Stadt. Der liegt nur auf 3000 - 3200 m Höhe und ist dadurch im Schnitt 10°C wärmer als der oberer Stadtrand auf 4000 m. Daher wohnen die Reichen vornehmlich im Süden, aber der Unterschied zwischen arm und reich ist bei weitem nicht so groß wie in Santiago de Chile. Es kam mir eher wie ein gemütlicher Vorort vor, ohne Bonzenautos und dem Sicherheitskram wie hier in Santiago. Anschließend war ich noch in einem Coca-Museum wo ich zwei deutsche Ärztinnen traf. Die haben mir die Leviten gelesen, wie unverantwortlich es war, in ein Land wie Bolivien ohne Antibiotika zu reisen. Also habe ich mir in der Apotheke danach gleich Doxycyclin gekauft. Dazu braucht man kein Rezept wie in Deutschland und die 10 Tabletten haben gerade mal 1,20 € gekostet.

Die Moneda
Chemische Auftrennung
Mechanische Auftrennung. Die leichteren Partikel haften an den Blasen, die auf der Lösung schwimmen und werden mit den Blasen von der Lösung entfernt.
Das Haus, indem die Auftrennung stattfindet mit davorliegenden Trockenbecken. Der trockene Erzschlamm vorne im Bild wird dann auf Lastwagen verladen und meist in Europa weiter verarbeitet.
Blick auf den Cerro Rico.
Tagebau.
Häuser eines Bergbausyndikats.
Staubecken, die als Wasservorrat für die Stadt dienen. Der Überlauf wird meist zum Auto waschen und Ähnlichem benutzt.

Gipfelkrater mit hineingefallenem Lichtmast. Dieser hängt an den angeschlossenen! Stromkabeln und fällt dadurch nicht tiefer hinein.
Blick vom Gipfel auf die Stadt.
Man sieht an diesem Grubeneingang, dass schon einige Meter der Bergflanke fehlen.
Da bin ich runter. Hier fehlt schon ein beträchtlicher Teil des Berges.
Potosí hat viel schöne Ecken.
Die Universität von Potosí.
Der Aconcagua aus dem Flugzeug heraus fotografiert.

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